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Unsere Autorin Johanna Kroll (15) geht lieber raus, anstatt zu Facebook.

© privat

Facebook: Was interessiert mich Leonardo DiCaprios Bart?

„Was willst du mit dem Blödsinn!?“, „Das bringt dir doch nichts!“, „Suchti!“. In der Klasse von unserer Autorin sind Facebooknutzer Außenseiter. Denn für den Alltag gibt´s kein Photoshop.

Müde und erschöpft kommen meine Freundin und ich aus der Schule. Wir wollen einen Vortrag vorbereiten. Ich möchte schnell fertig werden, sie geht auf Facebook. - Zur Entspannung. Also warte ich und erledige solange andere Hausaufgaben. Nach einer halben Stunde frage ich, ob sie nun fertig sei. „Gleich, warte kurz!“, sagt sie. „Kurz“, das klingt akzeptabel, aber kurz ist nicht gleich kurz.

In der nächsten Zeit - ich versuche verzweifelt Kontinuität in unser Arbeitstempo zu bekommen - wendet sich meine Freundin immer wieder ihrer Facebookseite zu. Das sei wichtig, erklärt sie mir. Schließlich muss ihr Freund wissen, was sie gerade macht; nichts. Irgendwann - der Vortrag ist immer noch nicht fertig - sitzt meine Freundin wieder am Rechner und entschuldigt sich. „Ich muss los“. Jemand hatte sie zu einer Party eingeladen. Damit war das Projekt offenbar beendet, ohne dass wir etwas geschafft hatten.

Perplex stehe ich in meinem Zimmer und denke darüber nach, wie viel Zeit meine Freundin, trotz Zeitdruck wegen des Vortrages und in realer Gesellschaft, gerade auf Facebook verbracht hatte. Dabei hätte man in dieser Zeit so viel machen können.

Raus gehen, Sport, mit dem Hund spielen, sich mit Freunden treffen und zusammen etwas unternehmen, eine Erinnerung schaffen, die länger hält, als ein Like. So viele Dinge, die einem mehr das Gefühl geben, etwas Richtiges erlebt zu haben.

Ich bin nicht die einzige, die so denkt. In meiner Klasse hat das offenbar jeder begriffen. Denn die paar Facebooknutzer sind Außenseiter. Warum? Weil wir auch ohne nichts vermissen. Die meisten hatten noch nie einen Account und haben bis jetzt auch keinen gebraucht. Andere haben ihn bereits vor Jahren gelöscht. „Weil Facebook einfach scheiße ist!“. Weil das Leben in der Realiät spielt, nicht auf einem Bildschirm. Eine Facebook-Seite ist für uns eine abstoßend künstliche Version des Personalausweises: Kann man sich über misslungene Passfotos noch scheckig lachen, kommen bei den zur Perfektion bearbeiteten Profilbildern Minderwertigkeitskomplexe auf. Wir plädieren für Natürlichkeit.

Kennt ihr noch dieses Festnetz?

Aktive Facebook-Nutzer sind in meiner Klasse daher deutlich in der Unterzahl – nicht, dass das jemand offen zugeben würde. In unserer Klasse versucht beziehungsweise traut man sich erst gar nicht, jemanden zu überreden, sich bei Facebook anzumelden. Man weiß vorher, dass die Reaktionen nicht positiv ausfallen. Wer sich dennoch offenbart und zugibt, Facebook zu benutzen, löst einen analogen „Shitstorm“ aus, und zwar direkt und persönlich, nicht durch die Internet-Barriere, durch die man sich das nicht so zu Herzen nimmt. Extensiven Facebooknutzern wird bei uns nämlich das Gefühl gegeben, eine Krankheit zu haben. Sofort wird diese Person in einem anderen Licht betrachtet, gedanklich degradiert und mit abfälligen Bemerkungen bombardiert. „Was willst du mit dem Blödsinn!?“, „Das bringt dir doch nichts!“, „Suchti!“.

So fängt man an nachzudenken, wie viel Zeit man mit Menschen im wirklichen Leben verbringt und ob man geschriebene Texte noch ohne Smileys versteht. Antwortet man beispielsweise auf die Frage, ob man morgen Zeit hätte schlicht mit „Nein.“, wirkt man leicht genervt. Schreibt man: „Nein :)“, wird deutlich, dass man einfach nur keine Zeit hat.

Ich als absolute Facebook-Gegnerin kann sagen, dass ich auch ohne die ständige Informationsflut des sozialen Netzwerks nicht hinter dem Mond lebe. Vielleicht entgeht mir das eine oder andere Posting eines Schauspielers oder so, aber ist das wirklich wichtig? Für mich habe ich entschieden, dass es vollkommen irrelevant ist, zu wissen, wann Leonardo DiCaprios Bart lang genug ist, um Zöpfe daraus zu flechten. Oder ob Taylor Swifts Katze ein neues Kuschelkissen hat.

Wenn es jedoch etwas gibt, das mich interessiert, bleiben mir immer noch unzählige alternative Kommunikationsmöglichkeiten. Beispielsweise gibt es den schon fast urzeitlich anmutenden Nachrichtenaustausch via E-Mail oder, was einigen eventuell schon ein Fremdwort ist, das Festnetz. Ebenso schadet es nicht, ab und zu einen Blick in eine gedruckte Zeitung zu werfen. Trotzdem bin ich ganz froh, dass diese auch digital verfügbar ist …

Das ist ein Beitrag unserer Jugendredaktion "Schreiberling". Und jetzt ab zu Facebook: www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder Twitter: www.twitter.com/schreiberling_.

Johanna Kroll, 15

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