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Patriot, Nationalist - oder vor allem Fan? Einer von tausenden Besuchern der EM-Fanmeile am Brandenburger Tor am Sonntagabend.

© Sophia Kembowski / dpa

Fahnenstreit zur Fußball-EM: Ein wirklich buntes Farbenmeer wäre gerade jetzt gut

Die Grüne Jugend Berlin spricht sich gegen Deutschlandfahnen zur EM aus und macht sich damit keine Freunde. Schwarz-Rot-Gold inmitten vieler anderer Flaggen ist ein Zeichen von Offenheit. Ein Kommentar.

Sollte sich die Grüne Jugend Berlin dieser Tage zum Public Viewing treffen, dürfte das eine recht triste Veranstaltung werden, wenigstens farblich. Die Parteifarbe ist gerade noch okay, aber schwarz, rot und gold sind so unerwünscht wie Schnitzel am Veggie-Day. Das hat der junge Arm der Partei am Wochenende mitgeteilt. Derlei „Party-Patriotismus“ führe nämlich zu nationalistischem Denken und zu Gewalt. Deshalb sollen Flaggen lieber gleich ganz im Schrank bleiben. Wie aber sieht dann ein Torjubel bei der Grünen Jugend aus? Freut man sich dort überhaupt für die deutsche Mannschaft? Oder wird stattdessen kontrovers diskutiert, ob es okay war, dass Thomas Müller nun von so weit Rechtsaußen geflankt hat?

Der Vorschlag zur Flaggenfreiheit kam im Netz in etwa genau so gut an wie die einstige Idee eines fleischfreien Tages pro Woche. Schon damals war bei der Toleranz der Karnivoren das Ende der Fahnenstange erreicht. Diesmal sind es die Fußballfans, die auf die Barrikaden gehen, darunter auch einige prominente Politiker, vornehmlich aus den Unionsparteien.

Hans-Peter Friedrichs drohte umgehend, nach jedem Tor die Nationalhymne zu singen. Andreas Scheuer konstatierte gar: „Lieber ein Patriot als ein Idiot.“ Und Kanzleramtschef Peter Altmaier erklärte den jungen Grünen via Twitter: „Fahnen der Fans sind das Gegenteil der Fahnen von einst: Symbol für weltoffenes, sympathisches Deutschland!“

Ein Sommermärchen als Zeichen von Gemeinschaft

Das kann man wenigstens insofern bezweifeln, als dass Thüringens AfD-Außenverteidiger Björn Höcke sich nicht entblödete, im vergangenen Herbst in der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ eine Deutschlandfahne über die Sessellehne zu hängen. Und Höcke, so heißt es, ist nicht gerade das Vorzeigemodell an Weltoffenheit, womöglich eher eines der Fahnen von einst.

Dass Fahnen tatsächlich ein Symbol der Offenheit sein können, beweisen gerade einige Friedrichshainer. Dort hängen türkische und slowakische, russische und ukrainische Fahnen Tür an Tür, gemeinsam mit spanischen und deutschen Flaggen. Ein wahrer Fundus für Vexillologen – so heißen Flaggenkundler und Flaggenkundekundigen.

Weithin sichtbar wird hier, dass Nationalfarben nicht nur zur Abgrenzung brauchbar sind, sondern als Symbol der Gemeinschaft dienen können. Wie schön wäre es, ein derart buntes Bild einmal auf den Fanmeilen zu sehen, statt schwarz-rot-goldenem Einheitsbrei. Das wäre dann ein buntes Sommermärchen, wie es Deutschland sicher gut täte.

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