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Berlin: Fahrerflucht: Jeder zweite Täter wird gefasst

Dank der Initiative einer Grundschullehrerin konnte das Mädchen ausfindig gemacht werden, das am Donnerstag vergangener Woche auf dem Weißenseer Weg in Lichtenberg von einem Auto angefahren worden war. Wie berichtet, hatte die Schülerin am Abend die Fahrbahn überquert und war von einem Pkw erfasst worden.

Dank der Initiative einer Grundschullehrerin konnte das Mädchen ausfindig gemacht werden, das am Donnerstag vergangener Woche auf dem Weißenseer Weg in Lichtenberg von einem Auto angefahren worden war. Wie berichtet, hatte die Schülerin am Abend die Fahrbahn überquert und war von einem Pkw erfasst worden. Dessen Fahrer kümmerte sich zunächst um das Kind, das sich mühsam aufrappelte, zum Gehsteig kroch und dann plötzlich davon lief. Der Autofahrer unterhielt sich noch mit Zeugen, setzte sich dann in seinen Wagen und verschwand. Er wird noch gesucht.

Die Polizei hatte durch Zeugen von dem Unfall erfahren und suchte nun eine Woche lang Opfer und Unfallfahrer. Unter anderem wurden am Unfallort Zeugenaufrufe verteilt, mit denen das Kind - ein sieben bis neun Jahre altes Mädchen - gesucht wurde. Die Lehrerin einer etwa drei Kilometer vom Unfallort entfernten Schule nahm einen dieser Zeugenaufrufe mit und fragte im Schüler- und Lehrerkreis herum - bis sie auf die Zehnjährige stieß. Das Kind hat Rückenverletzungen und Prellungen, aber nichts gebrochen. Der zuständige Verkehrsdienst der Polizeidirektion 7 hatte bereits kurz nach dem Unfall vermutet, dass das Kind möglicherweise gar nichts von dem Unfall zu Hause erzählt, sondern für die Verletzungen eine Ausrede erfunden hat.

Es sei nicht selten, dass in Unfälle verwickelte Kinder glauben, etwas falsch gemacht zu haben oder gegen die Gebote der Eltern verstoßen zu haben und nun Angst vor Schelte haben, sagte Ronald Reinke. Er leitet das so genannte Fluchtkommando in der Direktion 7, jenen Bereich des Verkehrsdienstes, der in allen Fällen von Fahrerfluchten ermittelt. So auch im Fall der doppelten Unfallflucht.

In Berlin wurden im vergangenen Jahr in fast 28 500 Fällen von Fahrerflucht ermittelt. Über 13 500 Fälle wurden geklärt. Oft gleicht die Suche nach geflohenen Unfallfahrern kriminalistischer Kleinarbeit. In fast der Hälfte aller Fälle sind die Fahnder vom "Fluchtkommando" erfolgreich. Bei ihrer Arbeit sind die Beamten auf die Hilfe der Bevölkerung, auf Werkstätten und Autohersteller angewiesen. Zwischen 10 und 30 Fluchtfälle landen täglich auf dem Schreibtisch von Ronald Reinke und dessen Mitarbeitern, die meisten davon sind zwar harmlose Blechschäden, wie der Bums auf dem Parkplatz. Für den Betroffenen, der den Schaden hat, ist dieser Unfall dennoch ärgerlich.

Im Fall eines 52-jährigen Fußgängers fahndet die Polizei noch immer nach dem Fahrer eines älteren Fiat Fiorino. Dem Passanten war bei dem Unfall das Becken zertrümmert worden, er wird mit den gesundheitlichen wie mit den finanziellen Folgen den Rest seines Lebens leben müssen. In ganz Berlin sind etwa 2000 Fahrzeuge dieses Typs gemeldet, allein in der Direktion 7 sind es 286.

Das verdächtige Fahrzeug wurde bisher nicht gefunden. Es muss noch nicht einmal aus Berlin kommen: Die Kreise Barnim und Märkisch-Oderland grenzen an die Direktion, und vom Kennzeichen sind noch nicht einmal Bruchstücke bekannt. Nun müssen die Beamten versuchen, mit dem Rückspiegel, der am Unfallort zurückblieb, den geflohenen Fahrer zu ermitteln.

In einem anderen Fall spielte den Fahndern vom Fluchtkommando der Suff in die Hände. Ein geflohener Unfallfahrer hatte im betrunkenen Zustand einem Kumpel davon erzählt, dieser wiederum meldete es der Polizei. Bei dem Unfall war eine Fußgängerin auf dem Gehweg fast zum Krüppel gefahren worden. Der Fahrer hatte, wie sich später herausstellte, schon längst keinen Führerschein mehr, das Auto keine funktionierenden Bremsen. Es wurde mühsam mit der Handbremse gestoppt, die der Fahrer, wegen eines behinderten rechten Arms mühsam mit der linken Hand bediente. Drei Monate dauerte es, bis dem hartnäckig leugnenden Fahrer die Tat nachgewiesen werden konnte.

Je schwerer der Unfall, desto mehr Hinweise gibt die Bevölkerung. Bei einem Parkplatz-Rempler werden sich nur selten Zeugen melden. Bei Unfällen mit Schwerverletzten oder Toten erhält die Polizei viele Hinweise. Dann werden aber auch alle vorhandenen Spuren ausgewertet. Das kann soweit gehen, dass die Polizeiwissenschaftler gebeten werden, DNA-Gutachten anzufertigen, damit zum Beispiel festgestellt werden kann, wer am Steuer eines Unfallwagens saß. Oder ob die Behauptung des Fahrers stimmt, er sei mit einem Tier kollidiert.

Mit am Unfallort gefundenen Lacksplittern lässt sich anhand von Lacktabellen der Hersteller zumindest das ungefähre Alter eines Autos bestimmt. Fast jedes Fahrzeugteil verfügt über Identifikationsnummern, die Rückschluss auf Fahrzeugtyp und Baujahr zulassen. Und dann kann es schon mal vorkommen, dass Halter eines bestimmten Fahrzeugtyps Post mit der Aufforderung erhalten, ihren Wagen bei der Polizei vorzuführen, um ihn auf mögliche Unfällschäden zu überprüfen.

Wer nach einem Unfall mit einem Wildschwein, Reh oder Hirsch einfach davon fährt und das verletzte Tier liegen lässt, begeht keine Unfallflucht, denn "Wildtiere gehören niemanden. Der Förster verwaltet sie lediglich", sagte Reinke. Dennoch sollte der Förster oder die Polizei benachrichtigt werden. Zu einem, damit das Tier von seinen Leiden erlöst werden kann; zum anderen, um einen falschen Verdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen.

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