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Kampf den Kampfradlern. Ihre steigende Zahl macht Berlins Autofahrern zunehmend zu schaffen.

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Autofahrer zu Kampfradlern: Passt auf euch (selber) auf!

Nein, nein, nein: Dass Autofahrer ihnen regelmäßig Rechte nehmen, gibt Radfahrern keinen Freibrief für Gesetzesverstöße. Und wer andere zwingt, permanent für ihn mitzudenken, gefährdet am Ende die Jüngsten und Schwächsten. Eine Erwiderung.

Hallo?! Alles klar unter dem Fahrradhelm? Darf man an dieser Stelle das Ethos des Kampfradlers einer wohlwollend-kritischen Prüfung unterziehen? Ist es gestattet, die rasende Truppe der moralisch Überlegenen kurz daran zu erinnern, dass sie in der Stadt noch nicht ganz unter sich sind? Das könnte das Kollisionsrisiko aller am Straßen- und Gehwegverkehr in Berlin Beteiligten senken.

Halten wir kurz an und sehen zurück: Ausgangspunkt der hochdrehenden Kurzserie zum Thema „Autos contra Fahrräder“ auf Tagesspiegel.de war die Aufregung über die polizeiliche Blitzerorgie. Schon da kann man sich nur wundern. Die Polizei in Berlin blitzt, um erstens Geld zu verdienen und zweitens die Leute daran zu erinnern, dass auch auf großen Straßen wie dem 17. Juni nicht Tempo 80 gilt, sondern Tempo 50, auf Nebenstraßen Tempo 30. Das ist verkehrlich Realpolitik. Wer eine Maschine führt, die anderen gefährlich werden kann, sollte Vorschriften und Regeln beachten und sich der Tatsache, dass er andere gefährden kann, immer bewusst sein. Ganz richtig: Autos sind hart, Menschenkörper sind weicher.

Und Radfahrer sind von den Missetaten der Autofahrer besonders betroffen. Wie schrieb Kollege Harald Schumann jüngst: Es sei unmöglich, „auch nur eine halbe Stunde durch die Innenstadt zu radeln, ohne dass ein PS-Idiot Ihnen die Vorfahrt nimmt, den Weg abschneidet, direkt vor Ihnen die Tür öffnet oder so dicht an Ihnen vorbeifährt, dass ein paar Zentimeter Abweichung reichen würden…“ – stimmt alles.

Problematisch sind die Schlüsse, die notorische Kampfradler daraus ziehen. Schluss Nummer eins: Autofahrer können mir gefährlich werden, also sind sie schlecht. Schluss zwei: Manche Autofahrer halten sich nicht an Abstandsregeln, ignorieren beim Rechtsabbiegen die Vorfahrt von Radlern (und den Vorrang von Fußgängern auf dem Zebrastreifen), also sind sie schlecht, und ich halte mich auch nicht mehr an die Regeln. Schluss drei: Weil Fahrräder nicht stinken, sind Fahrradfahrer bessere Menschen. Schluss vier: Wenn sich bessere Menschen nicht an Regeln halten, ist das immer noch besser, als wenn sich schlechtere Menschen nicht an Regeln halten. Schluss fünf: Radler dürfen machen, was sie wollen.

Wenn der Trend die Kinder erreicht, wird es schlimm!

Kampf den Kampfradlern. Ihre steigende Zahl macht Berlins Autofahrern zunehmend zu schaffen.
Kampf den Kampfradlern. Ihre steigende Zahl macht Berlins Autofahrern zunehmend zu schaffen.

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Wer in Berlin Auto fährt oder zu Fuß geht, weiß, dass mit einer steigenden Zahl von Radfahrern auch die Notwendigkeit, ihre Idiotie zu kompensieren, steigt.  Im Dunklen ohne Licht bei Rot quer über die Kreuzung – Autofahrer haben zu bremsen, oder sie machen sich moralisch schuldig. Fußgänger haben zu warten – oder sie riskieren den schwungvollen Bodycheck. Es ist mehr als ein Ärgernis, es ist ein Problem: Die Kampfradlerei ist in Berlin stilbildend geworden.

Vor zwanzig, dreißig Jahren fuhr man mit dem Rad bei Rot über die Ampel und dachte: Wenn man nicht sehr gut aufpasst, wird es mindestens teuer, vielleicht tödlich. Wenige machten das, es war Anarcho-Radelei. Heute fährt man im Mainstream mit dem Fahrrad bei Rot über die Ampel und denkt: Ich muss Ingwertee kaufen! Die Schar derer, die sich für kesse Kampfradler halten, besteht zu geringen Resten aus den Anarchoradlern von früher und in großen Mengen aus elegant gekleideten Leuten, beleibten Beamten, hageren Handarbeitslehrerinnen, die in der prallen Überzeugung vorwärtsstreben, dass die fiesen, bösen, moralisch minderwertigen Autofahrer auf sie aufpassen. Weil die doch längst daran gewöhnt sein müssen, dass Radler machen, was sie wollen.

Man kann als Autofahrer damit leben. Motorradfahrern wird beigebracht: Rechne immer damit, dass sie dich nicht sehen. Rechne damit, dass sie deine Rechte komplett missachten. Rechne ganz fest mit der Dummheit der anderen. Das ist eine der Überlebensregeln für Motorradfahrer.

Überzeugte Kampfradler mögen jetzt in sich hineingrinsen und sagen: Das ist doch super. Wir fahren, wie wir wollen – und die anderen passen auf uns auf. Spätestens wenn dieser Trend die Acht- bis Zehnjährigen erreicht, die sich in Berlin noch aufs Rad trauen, wird es schlimm. Die sollten doch lernen, auf sich selber aufzupassen.

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