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Berlin: Fahrschein zeigen? Nicht mit uns

In Spandau sollen Fahrgäste der BVG seit gestern nur vorn in die Busse einsteigen. Am ersten Tag wurde kaum jemand kontrolliert

Auf 22 Buslinien, die in und nach Spandau fahren, sollen die Fahrgäste seit Montag vorn beim Fahrer einsteigen und ihren Fahrschein vorzeigen. In einem dreimonatigen Versuch will die BVG testen, ob sich dadurch die Zahl der Schwarzfahrer senken lässt. Die BVG ist zufrieden. Bei einer Testfahrt des Tagesspiegel hielt sich allerdings so gut wie niemand an die neue Bestimmung. Auch vom Personal wird die Regelung offenbar nur halbherzig durchgesetzt.

Auf dem Bus der Linie 145 (Rathaus Spandau Richtung Zoologischen Garten) klebten am Montag an den hinteren Türen rote Schilder: „Achtung Testbetrieb. Bitte vorn beim Fahrer einsteigen und Fahrausweis vorzeigen.“ An der Station Klosterstraße drückte eine Frau vergeblich auf den hinteren Türöffner und lief dann ohne Murren zum Fahrer. Als sich die Hintertür in der Teltower Straße öffnete, um einen Passagier aussteigen zu lassen, stieg ein Man ungehindert ein. Bei geöffneten Türen waren die Aufkleber von außen nicht zu sehen. Am S-Bahnhof Westend stutzte eine Frau, als ihr Knopfdruck erfolglos blieb, dann rannte sie nach vorn und klagte beim Einstieg: „Die Türen gehen alle nicht auf.“ „Ab heute vorn einsteigen, neue Bestimmung“, rief ein Fahrgast mit Schiffermütze durch den Bus.

So wie er zeigten nur wenige Zusteiger ihre Tickets, die meisten Busbenutzer hatten davon noch nichts gehört. Kurz nach der Sophie-Charlotte-Straße meldete sich aus dem Lautsprecher die BVG-Leitstelle mit einem Hinweis auf die Änderung und wünschte den Fahrgästen eine „angenehme Vorweihnachtszeit“. Als „kleinen Service“ nannte sie noch die Uhrzeit.

Von den neun Personen, die am Luisenplatz eingestiegen sind, zeigte niemand seinen Fahrschein, es fragte auch niemand danach. Am Steinplatz öffnete der Fahrer noch einmal die bereits geschlossene Tür, um zwei heranhastende Männer einzulassen. Beide bedankten sich freundlich, ihre Tickets mussten sie nicht vorzeigen.

Nach 36 Minuten war der Bus am Zoo. Der 145er in Gegenrichtung war ein Doppeldecker, der noch nicht einmal die roten Aufkleber hatte. Darauf angesprochen, zuckte der Fahrer nur mit den Schultern und erklärte den Leuten die Neuregelung. Die Hintertüren blieben auch beim ersten Stopp unter der Bahnbrücke über die Hardenbergstraße zu. Sieben Fahrgäste drückten und klopften vergebens, vorn kam es bei der Kontrolle zum Stau. Schon am Steinplatz flutschte die erste Frau nach dem Ausstieg einiger Studenten durch die mittlere Tür.

Am Ernst-Reuter-Platz waren es schon drei Fahrgäste, die so der Frage nach den Fahrausweisen entgingen. Der Hinweis der Leitstelle war nur leise aus dem Funkgerät zu hören, die Lautsprecher waren abgestellt, an den nächsten Haltestellen zeigte auch vorn niemand mehr sein Ticket. Offenbar galt für den Fahrer zweierlei Maß. Die beiden farbigen Männer, die an der Meiningenallee zustiegen, mussten ihre Fahrscheine hervorkramen, die dicke Blondine am nächsten Stopp durfte so passieren. Drei junge Russen mit Bierdosen wurden kontrolliert, ein älteres Ehepaar nicht. Am U-Bahnhof Ruhleben drückte ein Mann mit Krückstock vergeblich auf den Öffner der Mitteltür, um dann durch den hinteren Einstieg zu humpeln, der sich problemlos öffnete.

Die Aktion sei „gut gelaufen“, so BVG-Sprecher Detlef Untermann. Nach Erkenntnis der Leitstelle seien rund 80 Prozent der betroffenen Fahrgäste informiert gewesen und hätten sich entsprechend verhalten. Man hatte den Eindruck, die Regelung werde „angenommen“. In der Eingewöhnungsphase sei man noch kulant, generell seien die Fahrer aber angehalten, auf das Vorzeigen der Fahrausweise zu bestehen.

Rainer W. During

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