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Fall Potsdam: Verdächtige streiten Tat weiterhin ab

Nach den Haftbefehlen gegen zwei Verdächtige wegen des rassististischen Mordversuchs auf einen Deutsch-Äthiopier gehen die Ermittlungen weiter. Die Verdächtigen streiten die Tat ab. Auch der Ablauf des Übergriffs ist noch unklar.

Potsdam/Berlin - Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wollte am Samstag Medienberichte nicht kommentieren, wonach das Opfer die Täter kurz vor dem Übergriff provoziert habe. Der Anwalt des 29 Jahre alten Verdächtigen wies die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurück. Auf der politischen Bühne ging der Streit über die Finanzierung von Programmen gegen Rechts weiter. Auch steht Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wegen seiner Äußerungen nach dem Übergriff weiter in der Kritik.

Einem «Focus»-Bericht zufolge haben Zeugen angegeben, das Opfer habe vor dem Überfall in einer nahe dem Tatort gelegenen Discothek eine tätliche Auseinandersetzung mit zwei Personen gehabt. Das Magazin berichtet auch davon, dass bei dem 37 Jahre alten Deutschen äthiopischer Herkunft nach dem Übergriff am vergangenen Sonntag 2,08 Promille festgestellt wurden. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft nahm dazu keine Stellung. Es werde weiter ermittelt. «Jetzt ist kriminalistische Feinarbeit gefragt.»

Der Geschäftsführer des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums, Wilhelm Kahle, wollte keine Auskunft über eine mögliche Alkoholisierung des Opfers zum Tatzeitpunkt geben. Laut «Märkischer Allgemeinen» (Samstag/Potsdam) hatte der 37-Jährige in der Tatnacht an der Haltestelle «Charlottenhof» die späteren Täter mit dem Wort «Schwein» beleidigt und zumindest einen zu treten versucht. Konkrete Quellen nennt die Zeitung nicht und beruft sich auf Zeugenaussagen.

Im Anschluss hätten die Angreifer dem Ingenieur einen einzigen, wuchtigen Faustschlag versetzt und ihm dadurch den Schädelknochen an einem Auge zertrümmert, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft dem Blatt. Nach Angaben der Klinik befindet sich der zweifache Familienvater nach wie vor in Lebensgefahr.

Am Freitag war auf Antrag der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen die beiden 29 und 30 Jahre alten Verdächtigen erlassen worden. Die Bundesanwaltschaft geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Beide Verdächtigen haben erklärt, mit der Tat nichts zu tun zu haben.

Der Anwalt des 29-Jährigen, Veikko Bartel, sagte der dpa: «Es gibt klare Beweise gegen eine Täterschaft meines Mandanten.» So könne die auf der Handy-Mailbox der Frau des Opfers festgestellte Stimme nicht von dem 29-Jährigen stammen, da er seit Wochen an einer Kehlkopfentzündung leide. «Er krächzt seit sechs Wochen nur noch und dafür liegen Beweise wie Krankenschein, Aussagen seines Arbeitgebers sowie sichergestellte Medikamente vor.»

Innenminister Schäuble steht wegen seiner Äußerungen nach dem Übergriff weiter in der Kritik. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verlangte eine rasche Klarstellung. «Ich finde es bestürzend, dass der Bundesinnenminister solch aggressiven Rassismus zumindest fahrlässig verharmlost», sagte Heil der «Berliner Zeitung». Schäuble hatte davor gewarnt, vorschnell Schlüsse über die Motive der Täter zu ziehen. Er fügte hinzu, auch blonde und blauäugige Menschen würden Opfer von Gewalttaten.

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, den Kampf gegen rechtsextreme Gewalt zur Chefsache zu machen. Die Bundesregierung müsse endlich klarstellen, dass die Mittel für zivilgesellschaftliche Programme nicht gekürzt werden, sagte sie der dpa. SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen kündigte Widerstand gegen Pläne des Familienministeriums an, mit den bislang vorgesehenen 19 Millionen Euro von 2007 an auch Programme zur Integrationsförderung und gegen den Linksextremismus zu finanzieren. «Das werden wir nicht mitmachen», sagte er der «Welt am Sonntag». (tso/dpa)

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