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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Darf man Käse befingern?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

"Es hat mich empört, im Supermarkt einen Mann zu beobachten, der eine Camembert-Schachtel aus dem Regal nahm, das Innere befingerte und den Käse an die Nase hielt. Hätte ich meinem Zorn freien Lauf lassen sollen?" Boris, angeekelt.

Dass man sich etwas genau anschaut, bevor man es kauft, ist verständlich. Die Akribie, mit der manche Menschen jede einzelne Kirsche prüfen, bevor sie diese in ihr Beutelchen werfen, wirkt indes verstörend. Erstens ist es unappetitlich, etwas zu kaufen, was schon viele Hände befingert haben. Und zweitens wirkt ein solches Verhalten unnötig knickrig, als habe der Käse- oder Kirschenfummler nichts Wichtiges im Leben, dem er Aufmerksamkeit widmen könnte, als blieben ihm allein der Camembert oder die kleine Kirsche, um seine Bedeutung zur Schau zu stellen. Soll man solchen tristen Gestalten das Leben schwer machen, indem man gerechten Zorn über sie ausschüttet? Ja, man soll.

Sie müssen ja nicht gleich laut werden. „Entschuldigen Sie bitte, glauben Sie, dass ich diesen Käse noch essen möchte, nachdem Sie ihn so befingert haben?“, wäre eine Frage, die ihm klar machen könnte, dass sein Verhalten ihn nicht sympathischer macht. Vielleicht setzen Sie damit sogar eine Gedankenkette in Gang, die letztlich dazu führt, dass der Mann nicht mehr seine Aufmerksamkeit an den winzigsten Vorteil verschwendet, sondern beginnt, seine Zeit sinnvoll einzusetzen. Dann hätten Sie nicht nur Mut bewiesen, sondern auch noch eine gute Tat vollbracht. Viel mehr kann einem an einem Kühlregal kaum gelingen.

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