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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Darf man mit Trauernden korrespondieren?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Wenn man einen Beileidsbrief schreibt, dann lässt man die Rückseite des Umschlags blank, fügt keinen Absender hinzu. So habe ich es gelernt. Der Sinn soll darin liegen, den Trauernden nicht zu belasten mit einer Verpflichtung zur Beantwortung des Briefes. Gilt das eigentlich noch?

Ansgar, mitfühlend

Das größte Problem im Umgang mit Trauernden liegt nicht in der Gefahr, dass man sie zu sehr belastet. Es besteht vielmehr darin, dass jede Entschuldigung recht erscheint, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. Leider ist es immer noch so, dass der Tod eine abschreckende Wirkung hat, dass jemand, der einen nahen Menschen verloren hat, oft behandelt wird wie ein extrem ansteckender Kranker. Das ist im Grunde schrecklich, denn so unterschiedlich die Menschen auch sein mögen, so vielfältig ihre Schicksale, Kulturen und Religionen sind, durch Geburt und Tod sind sie alle vereint. Dagegen hilft kein Verdrängen. Wenn man den Beileidsbrief ernst meint, schreibt man selbstverständlich einen Absender drauf, ganz egal, was man mal gelernt oder gelesen hat. Schließlich kann so ein Brief eine Brücke sein, um den Trauernden einzuladen, in einer für ihn schwierigen Zeit einen alten Kontakt, eine stillliegende Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Manchmal möchten Trauernde noch mehr über das Leben des Verstorbenen erfahren und freuen sich über die Chance, auf gemeinsame Freunde zugehen zu können. Es gibt also keinen Grund, sie vor der aktuellen Adresse zu bewahren.

Wenn sie nicht antworten wollen, ist das völlig okay. Der Tod ist unter Umständen mit viel Arbeit für die Hinterbliebenen verbunden, also würde man eine Antwort nicht ernsthaft erwarten. Aber die Möglichkeit einer Korrespondenz sollte man sich in jedem Falle offenhalten. Auch Trauernde sollten sich nicht aus falsch verstandener Pietät scheuen, auf einen Kondolenzbrief, der sie berührt oder weitergehend interessiert, umgehend zu reagieren.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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