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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Muss ich zum alten Schwiegervater ins Auto steigen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Mein Schwiegervater fährt seit gut 30 Jahren einmal im Jahr nach Italien. Er fährt mit dem Auto, meistens von Berlin bis nach Südtirol durch, ohne zu übernachten. Wir fahren in der Stadt nur sehr ungern mit ihm. Er fährt recht rasant, und ihm gefällt es, wenn er als Erster an der Ampel davonbraust. Dabei ist er 90 Jahre alt, allerdings körperlich und geistig sehr fit. Nun hat er meine Frau und mich für den nächsten Urlaub eingeladen. Wir fürchten die Fahrt mit seinem Auto, können den Urlaub aber kaum ablehnen.

Richard, angstvoll

Auch vom sportlichsten Schwiegervater sollte man sich nicht nötigen lassen. Mit einem offenen Gespräch tun Sie nicht nur sich selber einen Gefallen, sondern bewahren vielleicht auch andere vor Angst und Schrecken. Denn der Schwiegervater ist ja im Herzen vermutlich erst höchstens 20 Jahre alt. Vermutlich will er nicht einsehen, dass der Körper ihm in seinem Alter durchaus mal ein Schnippchen schlagen kann und er nicht mehr so reaktionsschnell ist, wie er mal war. Ihre Angst ist gerechtfertigt, und wenn Sie es auf sich nehmen wollen, offen darüber zu sprechen, macht ihn das vielleicht vorsichtiger. Das bedeutet nicht, dass Sie den Urlaub rundheraus ablehnen müssen.

Geben Sie doch zu, dass Sie sich auf einer langen Autofahrt nicht wohlfühlen. Das kann ja physische oder psychische Ursachen haben. Unter dem Beifahrer-Syndrom leiden auch Gefährten jüngerer Fahrer. Es ist auch keine Schande zuzugeben, dass man sich Sorgen macht wegen eines rasanten Fahrstils. Urlaub sollte immer schon mit einer möglichst entspannten Anreise beginnen. Warum nicht mit der Bahn fahren? Das ist zwar vergleichsweise teuer, für Sie aber auf jeden Fall stressfreier. Natürlich sollten Sie anbieten, die vermutlich erheblichen Mehrkosten selber zu tragen. Dafür bleibt Ihnen das Zittern erspart.

Um der Situation die Schärfe zu nehmen, könnten Sie die Möglichkeit erwägen, auf dem Hin- oder Rückweg die Reise zu unterbrechen, zum Beispiel um Freunde zu besuchen. Bestenfalls kommt der Schwiegervater zur Einsicht und schließt sich am Ende der Bahnreise an.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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