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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Plötzlich war der Arzt weg

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Nach längerer Zeit musste ich mal wieder zum Hausarzt. Als ich dort eintraf, stellte ich fest, dass er die Praxis offenbar verkauft hatte an einen anderen Arzt. Ich erfuhr, dass er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hat. Nach über 30 Jahren als Patient dort, hätte er mich doch informieren müssen!

Klaus, übergangen

Von „müssen“ kann hier wohl keine Rede sein. Es steht jedem frei, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Wenn das ganz diskret geschieht, sollte man dafür Verständnis aufbringen. Sie wissen ja nicht, ob Ihr Arzt vielleicht selber gesundheitliche Probleme hatte, die er seinen Patienten nicht unbedingt erläutern wollte. Verständlich ist Ihre Enttäuschung aber auf jeden Fall. Denn natürlich bauen Patienten zu Ärzten, die sie über Jahre immer wieder besuchen, eine persönliche Beziehung auf. Das ist ja nicht nur eine Geschäftsbeziehung, sondern in der Regel auch ein Vertrauensverhältnis. Aus der Sicht des Patienten mag dieses Verhältnis manchmal enger sein als aus der Sicht des Arztes, der am Tag viele Menschen behandelt und sich auf jeden irgendwie einlassen muss.

Nicht alle Ärzte haben die Zeit oder die soziale Kompetenz, über diese Themen lange nachzudenken. Trotzdem wäre es vernünftig, sich von langjährigen Patienten in irgendeiner Form zu verabschieden. Gängige Praxis ist nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung ein Aushang im Wartezimmer, um Stammpatienten auf den Abschied vorzubereiten. Vielleicht haben Sie den verpasst. Denkbar, wenngleich aufwendiger, ist auch ein Abschiedsbrief.

Problematisch wird der nur, wenn er verbunden ist mit der Empfehlung, dem Nachfolger ähnliches Vertrauen zu schenken. Dann könnte es sich um unverlangte Werbung handeln. Kann sein, dass manche Ärzte Briefe scheuen, um nicht aufdringlich zu wirken oder erst gar nicht davon ausgehen, dass Patienten das erwarten könnten. Da ist es dem Fingerspitzengefühl des scheidenden Arztes überlassen, zu entscheiden, wem er einen Abschiedsgruß schickt.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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