zum Hauptinhalt
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Soll man den Nachbarn einen Blumenmord gestehen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Ich habe schon mehrfach Pech gehabt, wenn ich im Urlaub die Blumen der Nachbarn gegossen habe. Einmal sind sie eingegangen, weil ich dachte, das Regenwasser reicht ihnen. Jetzt hatte ich auch die Zimmerpflanze unter meiner Obhut, und als ich eine Kanne voll in eine riesige Topfpflanze goss, kam auf einmal unten heraus ein Schwall Wasser und beschädigte unter anderem ein Aquarell, das auf dem Boden an der Wand lehnte.

Der erste Fall ist leichter zu lösen als der zweite. Wenn Balkonblumen eingegangen sind und der Kostenaufwand überschaubar ist, sollten Sie versuchen, sie zu ersetzen, bevor die Nachbarn wiederkommen. Allerdings sollten sie ganz sicher sein, dass die Blumen wirklich mausetot sind und keine Chance besteht, dass sie sich wieder erholen. Natürlich ist es das Risiko der Nachbarn, Ihnen einen solchen Auftrag zu erteilen. Andererseits haben Sie Vertrauen enttäuscht, dass man in Sie gesetzt hat, und Sie wollen ja auch in Zukunft fröhlich weiterleben mit den Nachbarn. Also kann es nicht schaden, guten Willen zu zeigen. Das funktioniert aber nur bei ganz normalen Balkonblumen, nicht bei besonderen Pflanzen, die schwierig zu beschaffen sind. Da hilft nur ein zerknirschter Entschuldigungsbrief, den die Nachbarn bitte unmittelbar bei der Rückkehr finden, und der sich unter einer Schachtel Pralinen oder einer Vase mit Schnittblumen befindet. Mündlich können Sie dann noch herausfinden, ob weitere Wiedergutmachung erwartet wird.

Das Aquarell haben Sie hoffentlich gleich zum Trocknen vom Boden hochgehoben, um den Schaden zu begrenzen. Auch in diesem Fall erscheint ein Entschuldigungsbrief verbunden mit einer Aufmerksamkeit, die von den Nachbarn möglichst noch vor der Entdeckung des Schadens gefunden wird, als beste Möglichkeit, die gute Nachbarschaft zu erhalten. Wenn der erste Zorn verraucht ist, lässt es sich viel leichter reden. Natürlich muss auch Nachbarn bewusst sein, dass sie mit der Vergabe des Wohnungsschlüssels immer ein Risiko eingehen. Ein großes Lamento wäre fehl am Platz, dann hätten sie halt nicht verreisen dürfen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen per Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder per E-Mail: meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false