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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Wegbleiben, weil ich mich gekränkt fühle?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Letztes Jahr habe ich einen runden Geburtstag gefeiert und eine Arbeitskollegin eingeladen, mit der ich häufiger und eigentlich auch gern zu tun habe. Sie sagte zunächst zu, dann, drei Tage vorher, aber wieder ab mit der Begründung, dass Freunde von außerhalb zu Besuch kämen. Nun hat sie mich zu einer privaten Nachfeier ihres Firmenjubiläums eingeladen. Zeit hätte ich, aber nach dem Erlebnis im letzten Jahr scheint es mir richtiger zu sein, nicht hinzugehen. Was meinen Sie?

Sonja, eingeladen

"Wie du mir, so ich dir", das ist ein Lebensprinzip, von dem viele Menschen glauben, sie seien es ihrem Stolz schuldig, danach zu leben. Ganz falsch. Ich möchte mir überhaupt nicht ausdenken, wie viel Lebensfreude, wie viele schöne Momente auf der Strecke bleiben, weil sie dem falschen Stolz geopfert werden. Es gibt doch überhaupt keinen Grund, beleidigt zu sein, weil die Kollegin im vergangenen Jahr alten Freunden von außerhalb den Vorzug gegeben hat. Sie hat das ehrlich zugegeben und auch noch rechtzeitig abgesagt, so dass Sie sich auf einen Gast weniger einstellen konnten, hat also im Grunde alles richtig gemacht. Sagt jemand zu und fehlt dann unentschuldigt,verhält er sich grob und unhöflich. Für eine ordentliche Entschuldigung, selbst wenn sie plausibel ist, braucht es in der Regel etwas Mut. Ihre Kollegin hat den aufgebracht, das sollten Sie unbedingt anerkennen. Da Sie damals nicht miteinander feiern konnten, besteht eigentlich umso mehr Grund hinzugehen, wenn Sie sowieso Zeit haben. Man muss doch immer abwägen, wofür man sich Zeit nimmt, was wichtig ist. Viel zu oft wird das Geschenk der Lebenszeit, die einem ein Mensch widmet, gar nicht hoch genug gewürdigt. Wer glaubt, darüber urteilen zu müssen, wie ein anderer seine Zeit am besten investiert, liegt in der Regel falsch, weil der Ansatz falsch ist. Wenn die Kollegin im letzten Jahr abgesagt hätte, weil sie nichts mit Ihnen zu tun haben will, dann hätte sie Sie doch kaum eingeladen. Also, sagen Sie zu, nehmen Sie ein nettes Geschenk mit und pflegen Sie diesen Kontakt.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, "Immer wieder sonntags", 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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