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Regierender Bürgermeister - und das auf absehbare Zeit: Klaus Wowereit.

© dpa

Falsche Rückzugsgerüchte: Der neue Klaus Wowereit wird nicht mehr wie der alte

An den aktuellen Rücktrittsgerüchten ist nichts dran – aber der Regierende Bürgermeister verliert unwiderruflich an Macht und Ansehen. Was der Imageverlust Klaus Wowereits für die Hauptstadt-SPD bedeutet.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Noch sind die Reihen fest geschlossen, wenn es um Angriffe von außen geht. Alle, die in der SPD etwas zu sagen haben, weisen entschieden zurück, was die „BZ“ am Freitag über den Regierenden Bürgermeister schrieb. Schlagzeile: „Will Wowereit mit einem Rücktritt der Entmachtung zuvorkommen?“ Offenbar plane er seinen Ausstieg schon vor der Sommerpause, hieß es. So einen Blödsinn habe er schon lange nicht mehr gelesen, raunzte der Betroffene nach der Lektüre im Roten Rathaus.

Der SPD-Landeschef Jan Stöß ärgerte sich auch über „den Quatsch“. Der Fraktionschef Saleh sprach am Freitag von einer „seltsamen Debatte“, nachdem er vorher mit Klaus Wowereit telefoniert hatte. „Die SPD-Fraktion und der Regierende Bürgermeister haben bis 2016 einen gemeinsamen Regierungsauftrag, und das gilt auch für die Partei“, sagte Saleh.

So weit das rhetorische Pflichtprogramm, das untermauert wird durch eine Klarstellung der angeblichen Situation, in der Wowereit seinen Abschied angekündigt habe. Das geschilderte Dreiergespräch mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und dem Flughafenchef Hartmut Mehdorn, bei dem Wowereit gesagt haben soll, dass er „keine Lust“ mehr habe, hatte gar nicht stattgefunden. Erstmals gab es vor einer Aufsichtsratssitzung kein solches Abstimmungstreffen. Außerdem dementierte SPD-Chef Stöß entschieden, dass er „alarmiert“ sei und mit Wowereit auf dem SPD-Bundesparteitag am Wochenende darüber reden wolle.

Tatsache ist aber, dass Berlins Regierungschef seit der dramatischen Verschiebung der Flughafeneröffnung im Mai 2012 in Probleme geraten ist – und für ihn keine Besserung absehbar ist. Selbst die ergebensten Genossen glauben und hoffen nicht mehr, dass sich Wowereits Beliebtheitswerte noch einmal erholen könnten. Seit Monaten steht er ganz unten auf der Skala, nur zwei Piraten haben schlechtere Werte. Das Problem der Sozialdemokraten ist, dass sich der massive Vertrauensverlust in der Bevölkerung auf die größte Regierungspartei überträgt, während sich der Koalitionspartner CDU diskret freuen kann.

Das wird schon im September ernste Folgen für die Bundestagswahl haben. Die Landes-SPD muss damit rechnen, wie 2009 bei 20 Prozent zu landen, möglicherweise als drittstärkste Partei, hinter CDU und Grünen, nur knapp vor der Linken. Der ehemals stabile Wowereit-Bonus von etwa fünf Prozent bei Wahlen ist vollständig aufgebraucht, sein Wirken hilft der Partei nicht mehr. Obwohl er versucht, mit neuen Themen zu punkten – als Retter der East Side Gallery oder Erbauer von Wohnungen für Studierende.

Bis vor einem Jahr wurde der Hauptstadt-Boss gern als fröhlicher Redner bei Wahlkampfauftritten in anderen Bundesländern gesehen. Jetzt laufen die Einladungen, ob aus Hessen oder Bayern, nur noch spärlich ein. Und wenn im November ein neuer SPD-Bundesvorstand gewählt wird, gibt es andere, neue Ministerpräsidenten, die als Vize-Chefs in die Parteiführung drängen. Vielleicht tritt Wowereit für diesen Posten nicht mehr an.

Die strategische Richtung für eine sozialdemokratisch gefärbte Landespolitik geben nun die neu besetzten, mehrheitlich linken Führungsgremien von Partei und Fraktion vor. Wowereit arrangiert sich, mimt gute Laune und ist trotzdem sehr genervt, wenn SPD-Senatsmitglieder und der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum intern übereinander herfallen.

Am 1. Oktober wird Wowereit 60 Jahre alt. Vielleicht doch eine gute Gelegenheit, den längst eingeleiteten Abschied auf Raten zu vollenden? Die, die ihn gut kennen, sagen: „Bei dem weiß man nie!“

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