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Gemeinsam statt einsam. Die Cafébetreiberinnen wollen in Zukunft absprechen, wie sie zum Beispiel mit Gästen umgehen, die im Café sitzen, aber nichts bestellen. Ilona Troncoso Munoz (3. v. l.) hat zum Treffen ins Fräulein Knopfauge geladen.

© Daniela Martens

Familie: Waffelschwestern

In Berlin gibt es viele Kindercafés. Familien verbringen gern Zeit dort – geben aber nur wenig Geld aus. Daher vernetzen sich die Betreiberinnen nun.

Das Bällebad gibt es nicht mehr. Nach zwei Monaten hat Ilona Troncoso Munoz es wieder abgeschafft. Der Grund dafür ist ziemlich eklig: „Zwischen den Bällen habe ich ständig verschimmelte Essensreste gefunden.“ Seit Mai 2016 betreibt sie das Café Fräulein Knopfauge in Moabit, an der Oldenburger Straße. Ilona Troncoso Munoz steht vor der Holzkonstruktion im hinteren Raum des Cafés, der einmal als Bällebad gedacht war. Inzwischen stehen hier andere Spielzeuge.

Es ist eins jener Cafés, die so manchen Müttern, Vätern und Kindern immer wieder die Tage verschönern, vor allem die kalten und verregneten, an denen niemand auf dem Spielplatz sein mag. Es gibt dort viel Spielzeug, das für die Kinder spannend ist, allein schon, weil es anderes ist als zu Hause. Die Kleinen dürfen toben und die Eltern können in Ruhe eine Mahlzeit essen, die sie nicht selbst zubereiten mussten, während ihr Kleinkind oder Baby immer wieder nach Aufmerksamkeit quakte. Die meisten Kindercafés bieten auch noch Kurse an: von der Ersten Hilfe für Kinder über Babyzeichensprache bis hin zu Pekip und Musik für Kleinkinder. „Das erste Lebensjahr ihres Kindes verbringen nicht wenige Eltern komplett im Kindercafé“, sagt Ilona Troncoso Munoz augenzwinkernd.

Die Fluktuation ist hoch

Mehr als 30 solcher Familien- oder Kindercafés listet die Webseite Kindaling.de für Berlin, einige mit speziellen Schwerpunkten wie Kochkursen. Es gibt auch andere Listen, oft sind sie allerdings veraltet. Und das passiert schnell, denn immer wieder machen Kindercafés zu – und neue tauchen auf. Die Fluktuation ist hoch. Oft sind es Mütter oder Väter, die sich mit so einem Café in oder nach der Elternzeit selbstständig machen. Und dann merken, dass es nicht so einfach ist, einen solchen Betrieb so zu führen, dass er rentabel ist. „Wenn wir nur von den Einnahmen aus dem Cafébetrieb leben wollten, würde es schwierig“, sagt eine der acht Frauen, die an einem kalten Mittwochmittag zusammen im Café Oldenburg sitzen. Es ist das erste Stammtischtreffen der Berliner Kindercafébetreiberinnen. Männer sind an diesem Tag nicht dabei, obwohl es sie gibt – oft betreiben Elternpaare die Cafés gemeinsam.

„Meistens sind Kindercafés reine Einzelunternehmen, die höchstens einen Mitarbeiter haben. Beim Stammtisch trifft man endlich mal Kollegen, kann etwas von ihnen lernen. Sonst wird man ja leicht betriebsblind“, sagt Ines Pavlou, die seit zehn Jahren die Firma Amitola führt, zu der zwei Cafés gehören, in denen es auch Kurse für Familien, Kindertheater und Kleidung gibt, eins in Karlshorst, eins in Friedrichshain. Pavlou ist eine der treibenden Kräfte hinter dem Stammtisch. Ihr geht es nicht nur darum, sich auszutauschen, sondern darum, einander beim Überleben zu helfen. Und das ist ein großes Thema an diesem Tag: „Bei uns in Friedrichshain gab es bis vor kurzem ein Kindercafé, das von einem Ehepaar betrieben wurde. Die haben sechs Tage die Woche gearbeitet und nach fünf Jahren aufgegeben. Sie sind mit Schulden da rausgegangen. Das lag auch daran, dass sich dort Gäste die Pizza selbst mitgebracht haben anstatt etwas zu bestellen“, sagt Pavlou. Sie erzählt noch von weiteren Cafés in Friedrichshain, die vor kurzem zumachen mussten. Das Problem sei, dass zu viele Gäste nicht verstünden, dass die Kindercafés von der Gastronomie leben müssten – und nicht nur nach drinnen verlagerte öffentliche Spielplätze seien. „Viele sehen nicht, dass auch die Kinder Gäste sind, und zwar die Hauptgäste, durch die wir wesentlich mehr Aufwand haben. Wir müssen zum Beispiel ständig die Spielsachen desinfizieren“, stimmt eine der beiden Betreiberinnen des Himbeerfroschs in Adlershof zu. Ein Baby sitzt auf ihrem Schoß, das ist ihr Enkel. Ihre Tochter, die Mutter des Kleinen, sitzt neben ihr. Sie führen den Himbeerfrosch gemeinsam.

Manchmal hatte sie nur 100 Euro Umsatz - bei 30 Gästen

„Die Kindercafés bieten einen Mega-Mehrwert für Familien“, sagt Pavlou. „Normale Gastromie-Betriebe schaffen Hochstühle und Kinderkarten ab, weil sie nicht so viele Familien mit kleinen Kindern als Gäste haben wollen – und schicken sie zu uns. Zu uns kommen auch viele Touristen, die uns das erzählen.“ „Das Quartiersmanagement freut sich, dass ich hier bin“, sagt Gastgeberin Ilona Troncoso Munoz. Ihr Café gehört zu jenen, die den Moabiter Kiez aufwerten. Hier wohnen auch viele sozial schwächere Familien. Sie kommt immer nur kurz an den Stammtisch ihrer Kolleginnen, da sie im Knopfauge einiges zu tun hat. Sie erzählt, dass ihr Café oft voll sei, sie es aber dennoch nicht leicht habe, finanziell über die Runden zu kommen. „Ich hatte teilweise nur 100 Euro Umsatz pro Nachmittag, obwohl 30 Gäste da waren.“ Einmal sei eine Mutter mit Baby den ganzen Nachmittag dort geblieben und habe sich strikt geweigert, überhaupt etwas zu bestellen. „Dann soll sie doch ins nächste Familienzentrum gehen“, beschwert sich Ilona Troncoso Munoz.

Sie biete ihre Waffeln zu günstig an, sagt Ines Pavlou mit einem Blick auf die Karte. Seit einiger Zeit hat Ilona Troncoso Munoz aber einen Mindestverzehr von sechs Euro eingeführt. Jetzt läuft es besser. Andere Cafés setzen auf einen „Spielbeitrag“. Das sei ein ganz wichtiges Thema, sagt Pavlou. „Wir wollen dazu eine Art Regelwerk erstellen, damit Eltern nicht immer sagen: In dem anderen Kindercafé ist das aber so.“ Wichtig ist vor allem: „Wir wollen keine Konkurrenz sein.“ Eine der Betreiberinnen sieht dafür in den öffentlichen Familienzentren eine Konkurrenz, da sie auch Kurse und Kuchen für Familien anbieten, aber günstiger. Den Einwand, es müsse auch Angebote für weniger wohlhabende Familien geben, hält sie nicht für stichhaltig. Zu ihr komme das gleiche Klientel, oft sogar die selben Eltern, wie im nächsten Familienzentrum, beide liegen in Einfamilienhausgegenden etwas vom Zentrum entfernt.

Wie viel Familien im Café ausgeben, hängt vom Kiez ab

Überhaupt kann man viel über die Entwicklung der Stadt und der Familien hier erfahren, wenn man den Kindercafébetreiberinnen zuhört: „Bei uns in Pankow gab es vor zehn Jahren, als ich angefangen habe, ein sehr gemischtes Klientel, Künstler, Punks, Akademiker. Die trafen sich alle im Kindercafé und haben auch Geld ausgegeben, obwohl sie oft nicht so viel hatten“, erzählt Katharina May vom Café Milchbart. Jetzt würden in ihrem Kiez hauptsächlich sparsame, wohlhabende Familien leben, die eine Eigentumswohnung hätten, aber nichts mehr im Kindercafé ausgeben wollten. „Bei uns in Friedrichshain ist es so, dass weniger wohlhabende Familien nur einmal die Woche kommen, dann aber mehr ausgeben“, sagt Pavlou. Und in Adlershof, wo gerade viele neue Wohnungen gebaut werden, sei das Einkommen zwar niedriger, „aber wenn Geld übrig ist, geben sie es auch aus“. Trotzdem sei es nicht einfach, genug Umsatz zu machen, sagt eine der Betreiberinnen des Himbeerfrosch: „Es ist hart, wenn etwa der Stilltreff bei uns einfach nichts konsumieren will.“ Und dann diese Eltern, die ihre Kinder einfach die Bücher zerreißen ließen.

In Steglitz gebe es solche Probleme nicht, sagt Sarah Kocabiyik vom Café Cocosh. „Unsere Gäste bringen uns sogar tütenweise Spielzeug vorbei.“ Sie betreibt das Café mit ihrem Mann, die Aufgabenverteilung ist klar: „Er hört sich alle Stillprobleme der Gäste geduldig an.“ Auch das gehört zum Mehrwert. Es wird wohl auch daran liegen, dass es mit dem Café richtig gut läuft. Trotzdem will das Paar, das zwei Kinder hat, das Cocosh wieder aufgeben und hat gerade eine Nachfolgerin gefunden – sie wollen lieber weiter in ihren „richtigen“ Jobs arbeiten.

Eine Liste der meisten Berliner Kindercafés findet sich unter www.kindaling.de/kindercafes/berlin

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