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Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. Schon gar nicht bei der Bundeswehr.

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Familienfreundliche Bundeswehr: Zwischen Kita und Kaserne

Einsätze, Übungen und Überstunden: Viele der in Beelitz stationierten Soldaten warten, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihr Versprechen einer familienfreundlichen Bundeswehr einlöst. 260 der 1000 Soldaten hier in Brandenburg haben Kinder. Ein Besuch.

Der Wecker schrillt, das Licht geht an, ein neuer Arbeitstag für Claudia Wege und ihre dreijährige Tochter Maja beginnt. Es ist fünf Uhr früh und die Zeit drängt. Aufstehen, anziehen, frühstücken. Nur mit Disziplin und Ordnung ist der Plan einzuhalten, den die Bundeswehrsoldatin für sich und ihre Tochter aufgestellt hat. Schon um 6 Uhr muss Maja in der Kita sein. „Morgens geht inzwischen vieles von alleine“, sagt die 25-Jährige. Seit den Jahren, in denen sie mit ihrer Tochter allein war, sind beide ein eingespieltes Team.

Trotzdem hält sich kein Kinderleben an feste Fahrpläne, sagt Claudia Wege. Majas erste Worte oder ihre ersten Schritte – die Soldatin hat sie verpasst. Familie und Armee – das sind zwei Herausforderungen, die für viele Soldaten mit Kindern nur schlecht vereinbar sind.

Das zeigt auch der Bericht des Bundeswehrbeauftragten der Bundesregierung: Im vergangenen Jahr wurden so viele Beschwerden von Soldaten gesammelt wie nie zuvor. Besonders Eltern machen ihrem Frust darin Luft. Seit auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Problem in Sachen Familienfreundlichkeit bei der Bundeswehr erkannt hat, wird auch unter den knapp 1000 Soldaten des Logistikbatallions am Standort Beelitz immer häufiger offen über die Sorgen der Eltern gesprochen, 260 von ihnen haben eigene Kinder.

Weihnachten war Papa in Afghanistan

„Wir sind nicht schlecht, was Familienfreundlichkeit betrifft“, sagt Mathias Franke. Der 33-jährige Stabsoffizier hat selbst zwei Kinder, ein drittes ist auf dem Weg. Dienstausgleich und verlängerte Wochenenden – Franke zählt die Vorteile der Arbeit bei der Bundeswehr auf. Sie gelten aber nur, wenn die Soldaten vor Ort sind. Doch das sind sie oft nicht: Viermonatige Auslands- und zum Teil wochenlange Übungseinsätze gehören auch zur Dienstbeschreibung. Wer Karriere machen will, muss sich darauf einstellen. Nicht selten geben deshalb die Partner der Soldaten ihren Job auf und schmeißen den Haushalt alleine. Auch bei Stabsoffizier Franke ist das ähnlich: Seine Frau arbeitet Teilzeit. „Wer Karriere machen will, der muss investieren“, sagt Franke.

Elternzeit passt für viele männliche Soldaten nicht ins Konzept. Alle zwei Jahre werden Soldaten von ihren Vorgesetzten beurteilt, dann wird über Dienstgrad und Bezahlung entschieden. Wer nicht da ist, wird nicht gesehen, so die Losung. Auch der 33-jährige Hauptfeldwebel Robert Sternstein hat die für Bundeswehrsoldaten mögliche Elternzeit nicht in Anspruch genommen. Im Gegenteil. Sein Sohn Felix ist heute fünf Jahre alt. Ein Weihnachtsfest feierte die Familie schon getrennt, denn Papa war in Afghanistan. Zu Hause bleibt die Mutter, sie hat sogar den Hausausbau alleine organisiert. „Es war ein bisschen wie bei der Fernsehsendung von Tine Wittler“, sagt der breitschultrige Soldat. Wie die Menschen vor der Kamera kam er nach Hause zurück und seine vier Wände waren umgestaltet.

„Meine Frau kennt mich nur mit meinem Job“, sagt Sternstein. „Und ich möchte das alles auch so.“ Sie habe sich damit abgefunden. Doch die Belastung ist groß. Wenn Sohn Felix mal wieder mit einer Bronchitis krank im Bett liegt, sei es seine Frau, die zu Hause bleibt. „Sie flucht oft“, erzählt Sternstein. Zuletzt, als der gemeinsame Sommerurlaub wegen eines Hochwassereinsatzes ausfallen musste. „Dein Job kotzt mich an“, das habe sie ihm damals gesagt.

Auch Tagesmütter könnte es doch geben, oder?

Wo die Probleme liegen, das hat Verteidigungsministerin von der Leyen bereits benannt: Arbeits- und Familienzeiten müssten besser aufeinander abgestimmt werden. Teilzeitarbeitsmodelle könnten eingeführt werden, ebenso Lebenszeitkonten oder die Drei- oder Viertagewoche. Auch Tagesmütter oder Kitas könnte es auf dem Kasernengelände geben. Bislang sind Betriebskindergärten bei der Bundeswehr aber selten. An den beiden Standorten in Potsdam-Mittelmark, in Beelitz und Geltow, gibt es sie derzeit nicht. In Geltow und Schwielowsee existiert hingegen eine enge Kooperation mit der Gemeinde, wie Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) erklärte. „Wir bieten den Soldaten Betreuungsplätze für ihre Kinder an.“ Dafür würden sowohl Kitaplätze als auch Plätze bei Tagesmüttern in Schwielowsee reserviert. Für den Standort Beelitz hat der dortige Bürgermeister Bernhardt Knuth (Bürgerbündnis Beelitz) angeboten, mit der Bundeswehr eine Kita zu errichten. Immerhin habe die Stadt Erfahrung mit dem Bau von Kindergärten.

Zudem scheint die Initiative der ehemaligen Familienministerin für einige Soldaten zu spät zu kommen – so wie für Franziska Leim. Die 32-Jährige, vom Grad Hauptmann, wird die Armee nach 13 Jahren im Dienst jetzt verlassen. „Soldatin im Einsatz und Mutter, das möchte ich nicht sein“, sagt sie. Das könne sie ihrem Kind nicht antun. Etwas mehr als ein Jahr ist ihre Charlotte jetzt alt. Schon die ersten Wochen nach dem Ende ihrer Elternzeit und zurück im Job haben der Soldatin gezeigt: Bundeswehr und Kind, das geht nicht. Schon gar nicht, wenn beide Eltern in der Armee sind. „Auch an mir bleibt das hängen, was die männlichen Soldaten an ihre Frauen abgeben“: Kind, Haushalt, Hund. Weil ihr Mann etliche Kilometer entfernt stationiert ist, ist Leim die meiste Zeit allein für Charlotte verantwortlich. Morgens um vier heißt es aufstehen. Um 18 Uhr bringt sie ihre Tochter ins Bett.

Bis 2020 hat sie sich bei der Bundeswehr verpflichtet

„Ich bin nur noch die Fertig- mach-Mutti“, sagt Leim. Die Zeit die ihr von Charlotte an einem Arbeitstag bleibt, ist oft nur die im Auto zwischen Kita und zu Hause. Offiziell sei die Bundeswehr schon heute flexibel, sagt Leim. Inoffiziell müssten aber viele Überstunden schieben. „Dann muss man Glück und den richtigen Vorgesetzten haben.“ Wie viele andere Soldatinnen mit Kind hätte auch sie sich eine Kita auf dem Kasernengelände gewünscht. „Ich bin gerne Soldatin geworden“, sagt Leim. Jetzt aber sehne sie sich nach einem normalen Job. „Irgendwas in einem Amt.“ Hauptsache mit geregelten Arbeitszeiten. „Einfach ein planbares Leben.“

Aber ist Leben planbar? Claudia Wege schüttelt mit dem Kopf. Die blonde Frau war 19, als sie den zwölf Jahre dauernden Vertrag als Zeitsoldatin unterschrieb. „Damals habe ich mir keine Gedanken über Kinder gemacht.“ Drei Jahre später war sie alleinerziehende Mutter für Tochter Maja. Auf den Job verzichten oder weniger arbeiten? Das ging schon wegen des Geldes nicht. Die Großeltern wohnen 150 Kilometer entfernt, vom leiblichen Vater der Tochter lebt sie getrennt. Mehr als zwei Jahre war Claudia Wege Alleinerziehende. Seit Kurzem lebt sie wieder mit einem Mann unter einem Dach. Doch das Problem bleibt: Ihr neuer Lebenspartner ist ebenfalls Soldat. So ist die kleine Maja oft das erste und das letzte Kind, das aus dem Kindergarten abgeholt wird. Das schmerzt, sagt Claudia Wege.

Bis zum Jahr 2020 ist die Soldatin bei der Bundeswehr verpflichtet. „Ich bin gerne Soldatin“, sagt Wege. „Es wäre aber schön, wenn Familie und Beruf besser vereinbar wären.“

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