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Familienprojekt: Super-Nannys für soziale Randlagen

In Berlin-Kreuzberg werden gerade Frauen zu Stadtteilmüttern ausgebildet. Vorbild ist ein Projekt in Neukölln. Was steckt hinter der "aufsuchenden Familienarbeit"?

Der Hase wackelt mit den Ohren. Der 19 Monate alte Christopherus juchzt. Die Hasenohren sind eigentlich die Finger seiner Mutter Jaqueline Dimitrow, die für das Kind auf ihrem Arm ein kleines Schattenspiel aufführt – auf dem Viereck aus blauem Licht, das der Filmprojektor auf der Wand im Diakonischen Werk Stadtmitte an der Wilhelmstraße hinterlässt.

Gerade war hier noch ein Film zu sehen, in dem Jaqueline Dimitrow und 29 andere Mütter aus Kreuzberg lernen, Stadtteilmütter zu sein. Sie nehmen an einem neuen Projekt teil, das am Donnerstag vorgestellt wurde: Nach sieben Monaten „Training“ sollen sie von September an andere Mütter aus dem Bezirk in Erziehungsfragen beraten – vor allem jene in schwierigen familiären Situationen, deren Kinder Gefahr laufen, später gewalttätig zu werden. „Das sind viele Migrantenfamilien, aber auch deutsche“, sagt Projektleiterin Ulrike Koch vom Diakonischen Werk. „Aufsuchende Familienarbeit“, nennt Koch die Aufgabe der Stadtteilmütter. Jaqueline Dimitrow und die anderen sollen vor allem ihre Nachbarinnen, Verwandten und Bekannten ansprechen und versuchen, „ihre Erziehungsfähigkeit zu stärken“, sagt Koch. Drei mal pro Woche lernen die angehenden Stadtteilmütter seit Anfang Januar zum Beispiel, was Kinder brauchen: Sprachförderung, einen Kitaplatz, „mehr Spielmöglichkeiten ohne den Störfaktor Fernsehen und aufmerksame Zuhörer, die das Kind nicht wie einen Erwachsenen behandeln“. Das klinge zwar selbstverständlich, sei es aber nicht.

Schattenspielerin Jaqueline Dimitrow scheint ein gutes Vorbild zu sein, wie man es besser macht. Die 38-Jährige ist eigentlich Erzieherin, aber gerade in der Babypause. Wenn das Stadtteilmütter-Projekt im September anläuft, will sie gleichzeitig auch wieder in einem Kindergarten arbeiten. „Es gibt so viele Familien, die Hilfe brauchen“, sagt sie. Sie wolle sich aber auf keinen Fall aufdrängen und „der große Zeigefinger sein“. Dieses Konzept hat sich schon bewährt: Vorbild für das Kreuzberger Projekt ist Neukölln, dort gibt es seit 2004 Stadtteilmütter. In Kreuzberg habe man das Konzept aber etwas verändert. Hier stammen die Stadtteilmütter aus vielen verschiedenen Nationen, in Neukölln meist aus der Türkei. Jaqueline Dimitrow etwa wurde in Bulgarien geboren. Die 47-Jährige Kausar Suhail, Mutter von fünf Kindern, in Pakistan. Die 28-Jährige Amira Mehmedovic ist vor sieben Jahren aus Bosnien nach Deutschland gekommen und Doris Sikuade, 54, ist Deutsche.

Zurzeit konzentriert sich das Projekt vor allem auf die Gegend um die Kochstraße. Dort gingen besonders wenige Kinder in eine Kita, sagt Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne) und kündigt an, das Projekt später auf andere Teile des Bezirks auszuweiten. Neben dem Bezirk stellt auch der Senat Mittel zur Finanzierung bereit. Insgesamt sind acht Träger beteiligt, neben dem Diakonischen Werk auch der Eigenbetrieb Kindergärten City.

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