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Familientreffen: 280 Mendelssohns aus aller Welt zu Gast in Berlin

Der Philosoph Moses Mendelssohn begründete einst die jüdische Aufklärung, sein Sohn das Bankhaus in Berlin. Auch der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy stammt von der Familie ab, wie auch mehrere bekannte Maler. Nachfahren aus aller Welt trafen sich nun in Berlin.

Das blonde Mädchen aus Bielefeld steht im Foyer des Berliner Roten Rathauses staunend vor einer Vitrine. Sie schaut auf eine alte Federzeichnung, die den 13-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy abbildet. Es ist, als würden sie in einen Spiegel schauen: Der Knabe mit langem Haar und sie - die Ähnlichkeit ist verblüffend. Und keineswegs zufällig. Denn Eva (7) ist eine Verwandte des weltberühmten Musikers. Beide sind Nachfahren des jüdischen Aufklärers und Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786). Am Wochenende traf sich die sechste bis zehnte Generation auf Einladung des Berliner Senats in der Hauptstadt.

Der Gendarmenmarkt ist von der Familie geprägt

Den Auftakt bildete am Freitag ein Empfang im Fest- und Wappensaal des Rathauses. Heute traf sich der Clan dann im ehemaligen Stammhaus der Mendelssohn-Bank in der Jägerstraße, um kurz darauf das durch Bauten der Vorfahren geprägte Viertel rund um den Gendarmenmarkt zu bewundern. Höhepunkt: das erste komplette Familienfoto auf den Stufen des Konzerthauses.

"Dass der Berliner Senat sich zu diesem Erbe bekennt, ist bemerkenswert", freut sich Mendelssohn-Nachfahre Julius Schoeps. Der Professor leitet in Potsdam das nach seinem Ahnherren benannte Institut. Die meisten seiner Verwandten waren ihm bis zu diesem Treffen unbekannt. Kein Wunder, denn sie kommen aus Australien, der Schweiz, England, Schweden, Italien, den Niederlanden, Tschechien und ganz Deutschland. Darunter sind auch Gabriele und Ulrike Mendelssohn aus Rheinland-Pfalz, Museumsdirektorin die eine, Ärztin die andere.

Ebenfalls Arzt ist Thomas Leo. Der 82-jährige Kardiologe floh als Junge 1938 über Holland nach Venezuela, bevor er sich in den USA niederließ. Einer seiner drei Söhne, Paul S. Leo, ist Anästhesist.

Geist von Aufklärung, Toleranz und Vernunft

Leo hatte Glück: Zwar nahmen sich in der Nazizeit zwei Familienmitglieder das Leben, aber bereits in Konzentrationslagern internierte Verwandte kamen wieder frei. Vom 1795 gegründeten und 1938 zwangsliquidierten Bankhaus blieb aber nichts mehr übrig. Geblieben sind Erinnerungen an eine ganze Dynastie von Mäzenen, Künstlern und Gelehrten, an beliebte Berliner Salons und den Geist von Aufklärung, Toleranz und Vernunft.

Diese Maximen stammen von Senior Moses. Der jüdische Philosoph war als Talmudstudent 1743 seinem Lehrer aus Dessau nach Berlin gefolgt. Moses Mendelssohn, der in Berlin zunächst als Hauslehrer und Buchhalter arbeitete, stieg später zum Geschäftsführer einer Seidenmanufaktur auf. Bekannt wurde er als einer der engsten Freunde und Diskussionspartner des Dramatikers Gotthold Ephraim Lessing. Lessing nahm später für seine Theaterfigur des weisen Nathan Mendelssohn als Anregung.

Mendelssohns Nachkommen agierten nicht nur als erfolgreiche Banker, sondern ebenfalls als Gelehrte und Künstler. Zu Letzteren zählen die Musiker Felix Mendelssohn-Bartholdy sowie dessen Schwester Fanny. Salons im Stammhaus der Mendelssohns, am Sitz des heutigen Bundesrates, waren jahrzehntelang gesellschaftlicher Treffpunkt.

Die kleine Eva hat sich unterdessen vom Abbild ihres Vorfahren Felix gelöst. Sie wendet sich zum neben ihr stehenden Betrachter und flüstert: "Wenn Du mehr erfahren willst, im Saal sind noch ein paar von uns" - eine Untertreibung. 280 Mendelssohn-Nachfahren haben sich zusammengefunden. "Viel Glück", sagt Eva und verschwindet zwischen Verwandten namens Wyss, von Mendelssohn, Joffe, Olsen, von Schwerin, Horwitz, von Bismark und Dubois-Reymond, nicht zu vergessen die Mendelssohn-Bartholdys, nach Felix' Bruder Paul und die Mendelssohn Bartholdys nach Felix selbst. (mit ddp)

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