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Typisch Kreuzberg - wo war das Myfest bisher.

© imago/Müller-Stauffenberg

Fanmeile in Kreuzberg?: Party-Profi Kausch soll Myfest übernehmen

Zu viele Menschen, zu wenige Toiletten - nach dem Vorjahr war klar: Das Myfest muss professioneller werden. Fanmeilen-Veranstalter Willy Kausch könnte übernehmen. Kreuzbergs Bürgermeisterin hatte das ausgeschlossen.

Von Fatina Keilani

Als Mittel gegen den Krawall hat sich das „Myfest“ in Kreuzberg bewährt, doch jetzt droht es zum Opfer seines eigenen Erfolges zu werden. Im vergangenen Jahr waren viel zu viele Menschen unterwegs, es gab kaum Sicherheitsvorkehrungen und zu wenig Ordner, Anwohner kamen nicht mehr in ihre Häuser, Besucher pinkelten in die Hauseingänge, kurz: Das Ganze muss nach Überzeugung des Bezirks dringend professionalisiert werden. Nun die Überraschung: Das nächste Myfest könnte von Fanmeilen-Veranstalter Willy Kausch organisiert werden.

Genau das hatte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) im vergangenen Mai nach dem Fest noch ausgeschlossen, doch nun hat sie ihre Meinung geändert. „Wir haben uns tatsächlich auf die Suche nach einem Veranstalter gemacht“, sagte Herrmann dem Tagesspiegel am Samstag. „Und Kausch hat sich gemeldet. Nächste Woche setzen wir uns zusammen.“

Natürlich werde die Myfest-Crew dabei sein, und auf keinen Fall dürfe es wie die Fanmeile werden: „Chinapfanne und so, das wollen wir nicht“, sagte Herrmann, wobei „Chinapfanne“ als Symbol für die übliche Massenfest-Fressbudengasse zu verstehen ist. „Der Vorteil von Kausch ist, dass das Land an seinem Unternehmen beteiligt ist“, sagt Herrmann. Laut Unternehmensregister ist die Messe Berlin GmbH an Kauschs Firma K.I.T. Group mit 75 Prozent beteiligt. Die Messe Berlin GmbH gehört wiederum zu 99,7 Prozent dem Land Berlin.

Wenn nun also das Myfest nicht mehr als Demo anerkannt wird, so ist es ein ganz gewöhnliches Straßenfest mit der Folge, dass zum Beispiel auch die Entsorgung des Mülls vom Veranstalter bezahlt werden muss. Daran war einst die Love Parade zugrunde gegangen.

Wenn nun Kauschs Gewinn schmal ausfällt, weil es kreuzbergtypisch keine Chinapfannen und keinen Kommerz gibt, könnte sich die Landesbeteiligung bezahlt machen: „Wir hoffen, dass es einen Zuschuss vom Finanzsenator für das Fest gibt“, sagt Herrmann. Das kulinarische Programm würden wie gehabt die Anwohner stemmen, die bisherigen Myfest-Organisatoren würden sich weiter um die Bühnen kümmern. Da die Zeit langsam knapp wird, werde das Fest hinter den Kulissen bereits vorbereitet. Falls es mit Kausch zu einer Einigung komme, könne dieser also problemlos einsteigen, es seien dann schon Vorarbeiten geleistet. Kausch selbst will sich derzeit noch nicht äußern. „Ich will nicht darüber reden“, sagte er am Sonnabend nur und lehnte weitere Fragen ab.

Im vergangenen Jahr gab es einen Besucherrekord beim Myfest – rund 250000 Menschen drängten sich im alten Zustellbezirk Kreuzberg 36 – und zugleich die wenigsten Krawalle seit Beginn der Ausschreitungen im Jahr 1987. Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt zeigten sich zufrieden – auch deshalb ist es politischer Wille, dass das Fest bleibt.

In früheren Jahren sah die Bilanz des 1. Mai oft übel aus. Am 2. Mai 2009 zum Beispiel hatte der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) 273 verletzte Polizisten gemeldet, musste diesen Wert dann aber nach oben korrigieren – auf 479. Laut Statistik kamen 170 der 479 verletzten Polizisten nicht aus Berlin. Die Zahl aus dem vergangenen Jahr: 39 Polizisten leicht verletzt. Es gab im vergangenen Jahr nur 45 Festnahmen, im Jahr 2009 waren es noch knapp 300 gewesen.

Mehr Party bedeutet also weniger Randale, so die Rechnung der Stadt.

So groß der Erfolg des Festes auch ist, aus Sicht der Kreuzberger hat es seinen alternativen Charme mittlerweile verloren. Ein Anwohner hat sogar Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, um das Fest zu verhindern. Er sei im vergangenen Jahr nicht in seine Wohnung gekommen, weil es so voll war, trägt er vor, und er bezweifelt auch, dass das Fest den Schutz des Versammlungsrechts haben sollte. Denn dafür sei eine gemeinsame Meinungskundgabe nötig, an der es hier erkennbar fehle. Wenn der Anwohner seine Klage nicht zurückzieht, wird das Gericht sie am 17. März mündlich verhandeln.

Es könnte sein, dass es auf das Ergebnis dann gar nicht mehr ankommt. Denn selbst wenn das Myfest dann nur noch ein gewöhnliches Straßenfest ist, wird er es wohl nicht verhindern können. Professionelle Organisation könnte ihm dann den Weg zur Haustür ebnen.

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