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Berlin: Fans zählen allein reicht nicht zum Siegen

Wie die Parteien das Internet nutzten, um mit Wählern ins Gespräch zu kommen

Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. Zumindest bei Facebook. Lag hier – im netzwerkinternen Beliebtheitsranking der aussichtsreichen Spitzenkandidaten zur Berliner Abgeordnetenhauswahl – vor zwei Wochen noch Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast mit knapp 8100 Fans komfortabel in Führung (vor Klaus Wowereit mit knapp 7300 Fans), wurde das Rennen zuletzt spürbar enger. Künast stagnierte nahezu, kam zuletzt auf 8276 Fans, Wowereit machte einen Satz auf 7875 (Stand: Sonntag, 13 Uhr). Und wer weiß: Hätte der Wahlkampf nur ein wenig länger angedauert, wäre Wowereit vielleicht tatsächlich zum Meister aller Klassen geworden: Bestätigter Regierender – und Facebook-Bürgermeister.

Etwas differenziertere Rankings sehen Wowereit und seine SPD sowieso schon relativ weit vorn: Zwei Wochen vor der Wahl veröffentlichte der Verein „Politika Berlin“ die Studie „Wahlkampf Berlin 2.0“. Sie bescheinigte den Berliner Sozialdemokraten in der Breite den besten Netzauftritt der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Demnach hatten im Parteienvergleich mit 73 Prozent die meisten sozialdemokratischen Kandidaten einen Social-Media-Account, zum Beispiel bei Facebook, mit 64 Prozent die meisten eine eigene Webseite. Lediglich in untergeordneten Wertungen punkteten andere Parteien, so hatten mit etwa 29 Prozent die meisten der grünen Kandidaten Konten gleich in mehreren sozialen Netzwerken, etwa Facebook und Twitter. Ebenfalls bei den Grünen: der Bestwert an ausführlichen Personenprofilen auf der Wahlkampfseite der Landespartei. 93 Prozent der Kandidaten wurden hier ausführlich vorgestellt.

Andere Ranglisten mit anderen Schwerpunkten zeichneten freilich ein anderes Bild: Der Social-Media-Analysedienst „Pluragraph“, der nicht die Breite des Angebots, sondern den Zuspruch auf verschiedenen Plattformen misst und nach einem bestimmten System zusammenzählt, sah von den bisher im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien am 2. September die Grünen knapp vor der SPD. FDP und Linke folgten auf den Plätzen, klar abgeschlagen: die CDU.

Freilich: Einzigartige – und damit eben nicht vergleichbare Sonderaktionen wie die grüne „Mitsprachestadt“ (der Tagesspiegel-Netzspiegel berichtete) oder die sehr präsente Netz-Offensive der Jungen Liberalen unter dem von Facebook inspirierten Motto „Berlin gefällt mir“ wirkten sich auf diese rein auf Vergleichbarkeit ausgerichteten Wertungen nicht aus. Auch Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit bestimmter Aktionen standen in diesem rein statistischen Bereich nicht zur Disposition. Dass die Grünen die Möglichkeit, via Internet Fragen zu stellen, bereits vor Ablauf der Wahlkampfzeit von der Startseite ihrer Homepage nahmen? Dass das Wahlkampfteam von Klaus Wowereit Fragen, die über das parteiunabhängige Portal abgeordnetenwatch.de gestellt wurden, grundsätzlich nicht beantwortete? Das alles fand keine Berücksichtigung.

Deshalb gibt es wohl auch solche wie Andreas Bersch. Der Leiter der Agentur „Berliner Brandung“ und Redakteur der Seite facebookbiz.de hält „rein quantitative Analysen“ für „nicht relevant“. Ihn interessiert das Qualitative und damit die Frage, ob eine gewinnbringende Kommunikation in beide Richtungen entsteht.

„Es geht nicht darum, möglichst viele Fans in einem Netzwerk zu haben“, meint Bersch. „Ab einem gewissen Grad an Prominenz gibt es einfach viele Leute, die sich für das interessieren, was jemand tut. Aber das ist nicht per se gut.“ Was wirklich zähle, sei deutlich schwerer messbar: „Gelingt es mir, über meine Social-Media-Kanäle einen Dialog zu führen? Am besten mit Multiplikatoren? Tragen meine Fans und Follower meine Impulse weiter? Gibt es Interaktion?“

Vor diesem Hintergrund scheint es nach wie vor schwierig, den Erfolg des Online-Wahlkampfs an der Wahlurne zu beziffern. Das zeigt sich auch am Beispiel der Piratenpartei: Dass sowohl „Pluragraph“ als auch „Politika Berlin“ die Partei aus dem Netz im Netz immer noch in einer Vorreiterrolle sehen, scheint sich eben nicht 1:1 in politischen Erfolg zu übersetzen. Dass es zu ihm beitragen kann, ist jedoch kaum mehr zu leugnen.Johannes Schneider

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