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Berlin: Fasching: "Diepgen soll auch mal an der Straße stehen"

"Ich habe meine Frau erst mal in den Urlaub geschickt", sagt Edmund Braun, "sie muss sich mit den Kindern allein auf dem Fichtelberg erholen". Erholung steht bei dem 54-Jährigen zurzeit nicht auf dem Plan.

"Ich habe meine Frau erst mal in den Urlaub geschickt", sagt Edmund Braun, "sie muss sich mit den Kindern allein auf dem Fichtelberg erholen". Erholung steht bei dem 54-Jährigen zurzeit nicht auf dem Plan. Er ist Präsident des Dachverbands der 26 Berliner Karnevalsvereine und organisiert den ersten Umzug in der Hauptstadt seit 1958. Am 25. Februar, dem Sonntag vor Rosenmontag, werden rund 40 Wagen und 80 Gruppen vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz ziehen. "Wir rechnen mit 2500 Mitwirkenden allein im Zug", sagt Bauer und schaut kurz aus dem Fenster. "Bei gutem Wetter erwarten wir mindestens 30 000 Zuschauer an der Route."

Nach 1958 drohte die närrische Tradition, in der Hauptstadt in Vergessenheit zu geraten. "Die Alliierten sahen es nicht besonders gern, wenn Uniformierte egal welcher Couleur durch die Stadt marschierten", sagt Bauer, nebenbei Gas- und Wasserinstallateur. Die Berliner Karnevalsvereine zogen sich in den knapp 40 Jahren in die Kieze zurück. Braun veranstaltet seit 1997 einen Umzug durch die Einkaufsstraße im Ortsteil Lichtenrade. "Im letzten Jahr waren immerhin fast 300 Teilnehmer dabei", erzählt der Karnevalspräsident, "aber der große Umzug in diesem Jahr wird eine andere Dimension haben."

Um 13.11 Uhr werden am 25. Februar Prinzessin Brigitte und Prinz Thomas am Brandenburger Tor den Startschuss für den Zug geben. Die Route verläuft "über die Linden, Schlossplatz und Rotes Rathaus". Prinz Thomas hat auch schon den passenden Schlachtruf parat: "Heijo, heijo, heijo! Karneval an der Spree, olé, olé, olé!" Der gebürtige Münsteraner kennt Umzüge mit 100 000 Zuschauern aus seiner Heimatstadt und hofft, "dass die Berliner irgendwann auch mal Frohsinn und Heiterkeit der fünften Jahreszeit entdecken." Stolz wie Oskar sei er gewesen, erzählt der Chef einer Sicherheitsfirma, als der Protokollchef, selbst Rheinländer, ihm auf einem Empfang bei Bundespräsident Johannes Rau bescheinigte, "mit dem Herzen dabei zu sein".

Auch die berühmten "Kamelle" wird es in Strömen regnen. Das Auge isst mit und deshalb werden mehr als zehn Garden hinter den Wagen tanzen. Die Mädchen werfen die Beine in die Luft, die Männer werden zum Vollplayback Stimmungshits von Wolfgang Petry, den Jacob Sisters oder Anton aus Tirol zum Besten geben. Weiter fliegen die Schokoriegel, Bonbons und Kaugummis, wenn sie hoch vom bunten Wagen abgeworfen werden. Einen besonderen Wagen hat Werner Giersch von der Stadtgarde Rot-Gold gebaut. "Der über neun Meter lange Hänger war schrottreif", erzählt der 64-jährige Rentner. In über vier Wochen Arbeit ist in einer Fabrikhalle in Lichtenberg ein stolzes rot-goldenes Gefährt entstanden. "Von der Zapfanlage bis zum Dixiklo ist alles drauf", sagt Giersch stolz, "wir sind vollkommen autark."

Ob sich die Hauptstädter vom Virus carnevalis anstecken lassen? "Irgendwann sollte Eberhard Diepgen auch mal an der Straße stehen", sagt Edmund Braun, "auch wenn der Berliner lieber im Saal feiert, die richtige Musik spielt nun mal an der frischen Berliner Luft."

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