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Berlin: Fast die halbe Miete

Gas, Wasser, Strom und Müllabfuhr werden teurer – Verbraucherschützer halten das für überzogen

Die Berliner Mieten „liegen unter dem Bundesdurchschnitt“, sagt Reiner Wild, stellvertretender Geschäftsführer des Mietervereins. Keineswegs gelte das aber für die Nebenkosten. „Es kommt vor, dass die kalten Betriebskosten und die Heizkosten zusammen so teuer sind wie eine halbe Nettokaltmiete. In Ausnahmefällen sogar mehr.“

Im kommenden Jahr steigen die Betriebskosten vom Strom bis hin zur Abfallentsorgung, alles in allem um bis zu 150 Euro je Durchschnitts-Haushalt. Die Verbraucherverbände reagieren mit scharfer Kritik auf die Tarifpolitik der Unternehmen. „Die hohen Preise sind mitunter die Folge hirnrissiger Politik“, sagt etwa Reiner Wild. Der Vorstandsvorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Günter Brinker, bemängelt vor allem die Steigerung bei den Wasserpreisen: „In einem Jahr sind sie um 20 Prozent gestiegen. Berlin nimmt bei den Wasserpreisen einen Spitzenplatz in Deutschland ein – obwohl die Wasserbetriebe einer der wenigen Landesbetriebe sind, die Gewinn erzielen.“ Stephan Natz, Sprecher der Wasserbetriebe, argumentiert dagegen: „Höhere Energiekosten, Zinsen für betriebsnotwendiges Kapital und der Ausbau unseres Versorgungsnetzes haben die Tariferhöhung nötig gemacht.“

Als „nicht immer nachvollziehbar“, bezeichnet Hans-Dieter Blümmel vom Berliner Haus- und Grundbesitzerverein die Tarifpolitik der Energie- und Reinigungsbetriebe. Zudem: Die Probleme, mit denen die Berliner Stadtreinigungsbetriebe ihre Gebührenerhöhung begründen, nennt er „hausgemacht“. Es stimme, dass der Stadtreinigung durch eine neue EU-Richtlinie höhere Kosten für umweltgerechte Entsorgung entstünden. „Fakt ist aber auch, dass man sich zehn Jahre lang nicht mit dem Problem auseinander gesetzt hat. BSR und die Berliner Politik haben diese Entwicklung komplett verschlafen.“ Jetzt müsse der Müll für teures Geld auswärts aufbereitet werden. Sabine Thümler, Sprecherin der Berliner Stadtreinigung (BSR), begründete den Anstieg damit, dass laut EU-Gesetz die Entsorger ihren Abfall ab Juni kommenden Jahres nicht mehr unbehandelt auf Deponien abladen dürfen.

Wehren könne man sich als Bürger kaum gegen die Tarifpolitik, da sind sich die Verbraucher-Vertreter einig. „Nur beim Strom kann man den Anbieter wechseln“, sagt Gabriele Francke von der Verbraucherzentrale. Sie rät, zum Jahreswechsel Zählerstände zu notieren. „Um sicherzustellen, dass korrekt nach den alten Tarifen abgerechnet wird.“ Wie andere Verbrauchershützer fordert sie die Unternehmen auf, die Geschäftszahlen offen zu legen, auf deren Basis die Tarife errechnet werden. Auch die Möglichkeit, auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Einsicht in die Unterlagen zu bekommen, sieht Francke skeptisch. Der Haus- und Grundbesitzverein versucht nach eigenen Angaben seit Jahren, diese Einsicht einzuklagen.

Marc Neller

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