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Die Klimanotlage ist beschlossen – so wie Regine Günther das wollte. Sie hat trotzdem einen schweren Stand.

© Christoph Soeder/dpa

Fast niemand verteidigt Regine Günther: Berlins unbeliebte Umweltsenatorin

In ihrer eigenen Partei, den Grünen herrscht weitgehend Schweigen, wenn man nach Regine Günter fragt. Umso mehr Kritik kommt von außen.

In der Politik gibt es mindestens zwei Arten von Geschlossenheit. Die erste ist Ausdruck vollster Zufriedenheit. Alle Lager sind vereint, kritische Zwischentöne werden als Querschüsse diskreditiert. Bei der zweiten wissen alle um die missliche, weil kritikwürdige Lage und halten dennoch dicht. Schließlich soll das Bild innerparteilicher Aufregung möglichst nicht nach außen dringen.

Es spricht einiges dafür, dass das geschlossene Schweigen der sonst vergleichsweise offenen Berliner Grünen am Tag nach dem Ausrufen der Klimanotlage letzteren Charakter trug.

Weder die beiden Fraktions-Chefinnen Antje Kapek und Silke Gebel noch die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf wollten sich vom Tagesspiegel zur Lage und zum Ansehen von Regine Günther befragen lassen.

Die grüne Umwelt- und Verkehrssenatorin ist verantwortlich dafür, dass tags zuvor der Senat die Klimanotlage ausgerufen hatte – als erste Landesregierung bundesweit. Dafür war sie teilweise heftig von den Koalitionspartnern kritisiert worden, auch wenn SPD und Linke am Ende doch zustimmten. Senatskanzlei-Chef Christian Gaebler (SPD) hatte Günthers Forderung nach einer Erhöhung der CO2-Einsparziele sogar als „reine Show“ und „Showaktion“ bezeichnet – während der noch laufenden Senatssitzung.

Am Ende des Tages war es mit Harald Moritz der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, der nach interner Absprache von der Fraktionsspitze vorgeschickt wurde.

Moritz erklärte: „Regine Günther geht mutig und engagiert voran, sie schafft das Fundament für die Verkehrswende und für eine klimaneutrale Stadt. Das ist kein Spaziergang, sondern hier geht es um notwendige Debatten in der Stadt und in der Gesellschaft. Der grüne Parteitag hat gezeigt, dass sie dafür die Unterstützung der ganzen Partei hat.“

Vielen geht die Umsetzung des Mobilitätsgesetzes zu langsam

Aber ist das so? Tatsächlich sorgte das Ausrufen der Klimanotlage, laut Günther ein „bedeutender Schritt“, für scharfe Kritik an der Senatorin und deren Behörde. Zu viel Symbolik, zu wenig konkrete Maßnahmen, so der Tenor, der Günther schon länger begleitet.

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Die oppositionelle CDU bezeichnet sie ohnehin als „Verkehrt-Senatorin“. Schließlich gibt es seit dem Sommer 2018 in Berlin ein Mobilitätsgesetz (MobG), das die Grünen vor sich hertragen und mit dessen Hilfe die Verkehrswende gelingen soll.

Weil davon bislang aber nur wenig zu sehen ist – Stichwort: Ausbau des Rad- und ÖPNV-Netzes – werden selbst die Mitglieder der eigenen Partei ungeduldig.

„Allgemein kann man sicher nicht zufrieden sein mit der Umsetzung des Gesetzes“, hatte Moritz Ende Juli gesagt. Die Verzögerungen machte ausgerechnet der Abgeordnete Sven Kohlmeier vom Koalitionspartner SPD per Anfrage öffentlich. Das nehmen ihm einige Grüne bis heute übel.

Streitpunkt Karl-Marx-Allee

Die schlechte Nachricht für Günther: Nicht nur die beschlossenen, aber nicht abgearbeiteten Maßnahmen sorgen für Ärger. Krach gab es auch, nachdem die Senatorin in der vergangenen Woche erklärt hatte, auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee 173 Parkplätzen durch einen Grünstreifen ersetzen zu wollen. Allerdings hatte sie sich dafür nicht das Einverständnis der ebenfalls zu beteiligenden Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Kultur eingeholt.

Günthers Anordnung hatte bereits im Bezirksamt Mitte für Empörung gesorgt. Dann legte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag nach. Anstelle von Günther kam er in die turnusmäßige Pressekonferenz nach der Senatssitzung.

Das Vorhaben zu verkünden, die seit dem Beginn von Bauarbeiten im Sommer 2018 vorerst verschwundenen Parkplätze nicht wieder herzustellen, sei „etwas zu vorschnell“ gewesen, sagte Müller. „Das kann die Umweltverwaltung gar nicht alleine entscheiden“, fügte er hinzu. Stattdessen seien die beiden von Linken-Senatoren Klaus Lederer und Katrin Lompscher geleiteten Senatsverwaltungen zu beteiligen.

Wie das Votum der beiden angesichts der Anwohnerstruktur am einstigen DDR-Prachtboulevard ausfallen dürfte, gilt als ausgemacht. Und selbst Müller machte deutlich, dass aus seiner Sicht „diverse Gründe“ für die Beibehaltung der ursprünglichen Planungen sprächen. Hinzu kommt, dass Günther mit ihrer Anordnung die Ergebnisse eines aufwendigen Bürgerbeteiligungsverfahrens quasi im Handstreich vom Tisch fegte, was die Opposition leidlich ausweidete.

Während Günther noch am Dienstagnachmittag andeutete, an ihren Plänen für die Karl-Marx-Allee festhalten zu wollen, waren andere mit der Aufarbeitung des koalitionsinternen Streits beschäftigt. Ein Mitglied der Grünen erklärte das Vorgehen von SPD und Linken im Gespräch mit dem Tagesspiegel folgendermaßen: „Man guckt sich an, welche Partei am stärksten ist, und sucht in den deren Reihen nach dem oder der Schwächsten.“

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