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FDP-Landesvorsitz: Liberaler ohne Gegenwind

Christoph Meyer will an diesem Freitag neuer FDP-Landesvorsitzender werden. Als Fraktionschef hat der 34-Jährige gezeigt, dass er ohne Polemik auskommt

Sie sind friedlich gestimmt, jedenfalls im Hinblick auf die eigene Partei. Ganz ohne Streit wollen die Berliner Liberalen an diesem Freitagabend einen neuen Landesvorstand wählen. Christoph Meyer, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, will nun auch die Führung des Landesverbandes übernehmen – und nach allem, was zu hören ist, hat niemand etwas dagegen.

Das will etwas heißen. Sechs Jahre liegen hinter der Berliner FDP, in denen man bei Landesparteitagen mit vielem rechnen musste. Einer wurde formal „unterbrochen“, damit man ihn nicht abbrechen musste. Bei einem anderen trat der damalige Fraktionschef Martin Lindner wegen offenkundiger Unzufriedenheit gegen Landeschef Markus Löning an. Dabei waren 2004 beide mal als Team angetreten, als „Tandem“. In die Sättel hatte sie Günter Rexrodt gesetzt, der „Mister Wirtschaft“, dessen Ansehen die Berliner FDP 2001 den Wiedereinzug ins Landesparlament zu verdanken hatte.

Nun kommt Christoph Meyer, 34 Jahre alt, Jurist, vor allem Berufspolitiker, in der FDP bestens bekannt als Stratege der Macht, außerhalb seiner Partei aber noch nicht wirklich prominent – und er muss nicht mal mit einem Gegenkandidaten rechnen.

Für die neue Harmonie werden in der FDP mehrere Gründe genannt. So heißt es, Meyer habe im Hintergrund so viel strategisches Talent bewiesen, dass er nun auf der Bühne zeigen solle, was er könne. Damit ist Meyers Organisatorenrolle beim Machtkampf Lindner gegen Löning 2008 gemeint. Meyer wusste damals schon vor der Wahl zum Landeschef derart gut, welcher Bezirksverband wie abstimmen wollte, dass er die 180-zu- 163-Stimmen-Mehrheit für Löning bis auf eine Stimme voraussagen konnte. Seine Arbeit für Löning hinderte ihn nicht daran, für Lindner zu werben, als es dem liberalen Chef-Aggressor im Abgeordnetenhaus zu langweilig wurde und Lindner in den Bundestag wollte. Wieder galt Meyer als personalpolitischer Mehrheitsorganisator, diesmal für Lindner – wobei der stets so freundlich wirkende junge Mann auch eigene Perspektiven in der Berliner Politik im Blick gehabt haben dürfte.

Wichtiger noch ist anscheinend eine innerparteiliche Befindlichkeit, der neuer Personalstreit zuwiderläuft. Der stets zum Polarisieren neigende Martin Linder ist dort, wo er hin wollte: im Bundestag. Der zur Verbindlichkeit neigende Markus Löning will die FDP nicht mehr führen – da fehlen der Berliner FDP derzeit schlicht die gegensätzlichen Persönlichkeiten, die in den Augen der Betrachter für unterschiedliche Richtungen und Profile der Partei stehen könnten. Man müsse es ja auch nicht auf jedem Parteitag „auf die Spitze treiben“, sagt eine wichtige Liberale und meint den Streit im Verband, der die Leute draußen nicht wirklich interessiert. Und apropos Außenwelt: Man habe derzeit so viel Gegenwind, dass man zusammenhalten müsse.

Damit wiederum ist der von Guido Westerwelle entfesselte Streit um Hartz IV und die deutsche Sozialpolitik gemeint. Christoph Meyer hat in diesem Streit schon gezeigt, wie er seinen Job als Fraktions- und womöglich als Landeschef versteht. Er hat nach Westerwelles – wie Meyer sagt – „hartem Aufschlag“ nicht nachgelegt, obwohl es dazu in der Hartz-IV-Metropole Berlin Gründe und Anlass gäbe. Doch er bezeichnet die Diskussion als „richtig“ – und hat vor kurzem (im Interview mit dieser Zeitung) selbst deutlich gemacht, dass gerade jüngere Leistungsempfänger in Berlin „nicht genug gefordert“ worden seien.

Weil Meyer seit Jahren der führende Haushaltspolitiker seiner Fraktion ist, konnte er sozialpolitisch auf seine Weise nachlegen. Im Skandal um die „Treberhilfe“ und die Berliner Sozialpolitik der Nicht-Kontrolle kam der FDP-Politiker jüngst mit der Forderung nach einer neuen Fördersystematik und der Ausschreibung von sozialpolitischen Leistungen. Das kommt in der Partei als neue Sachlichkeit mit Profilgewinn an. Es geht, so sagen manche, auch ohne ständiges Polemisieren – es komme sogar mehr Tiefe in die Debatte.

Das ist für Berliner FDP-Verhältnisse schon viel Lob im Vorhinein. Als spürten sie das in der FDP, scheuen Kenner der innerparteilichen Stimmungslage vor zu hohen Erwartungen an den Wahlabend zurück. Meyer könne wohl mit 70 bis 75 Prozent der Delegiertenstimmen rechnen, heißt es. Zum Vergleich: Der neue CDU-Landeschef Frank Henkel bekam vor einem Jahr über 90 Prozent der Stimmen, damit es nach einem Aufbruch mit Wumm aussah. Aber Christoph Meyer soll wohl, wenn er schon keinen richtigen Widerpart hat, wenigstens nicht übermütig werden.

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