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Berlin: Fehltritte

Kräftige Bänder halten Knie- und Sprunggelenk trotz starker Last zusammen. Doch manchmal sind auch sie so überfordert, dass es sie zerreißt

Fußballfans kennen solche Szenen: Der Verteidiger grätscht dem Stürmer, der gerade den Ball im Tor versenken wollte, in die Beine. Dessen Knie verdreht, er stürzt und wälzt sich auf dem Boden. Unfälle wie diese haben schon zahlreiche Sportler-Karrieren ruiniert. Doch nicht nur Sportler sind betroffen: In Deutschland reißt Jahr für Jahr 80 000 Mal ein Kreuzband, alle sechseinhalb Minuten.

Wie können die Kreuzbänder im Knie geschädigt werden?

Die Anfälligkeit des Kniegelenks erklärt sich aus dessen Anatomie. Während bei der Hüfte der Gelenkkopf von der Pfanne fest umschlossen wird, liegt beim Kniegelenk der Oberschenkelkopf nur auf einer platten Gelenkfläche des Schienbeins auf (siehe Grafik auf der gegenüberliegenden Seite). Das vordere und hintere Kreuzband stabilisieren dieses fragile Zusammenspiel. Die Enden der kräftigen, etwa acht bis zehn Millimeter breiten Bänder setzen am Schienbein- und Oberschenkelknochen an und überkreuzen sich im Gelenkspalt – daher ihr Name.

Dreht sich der Oberschenkelknochen auf dem Schienbein, ohne dass dieses der Bewegung folgt, wird das vordere Band überdehnt und reißt schließlich. Viele Patienten berichten von einem Knackgeräusch, „als ob man eine rohe Mohrrübe zerbricht“ sagt Dirk Casper, Leitender Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Unfallkrankenhauses Berlin. Das Knie schmerzt stark und schwillt oft an.

Um das hintere Kreuzband zu schädigen, muss massive Gewalt in einem bestimmten Winkel einwirken. Ärzte beobachten solche selteneren Verletzungen zum Beispiel nach Autounfällen, etwa wenn dabei das angewinkelte Schienbein vom Armaturenbrett heftig gegen den Oberschenkel gepresst wurde.

Gerissene Kreuzbänder diagnostizieren Mediziner unter anderem mit dem sogenannten Schubladentest. Kann dabei der Unterschenkel gegen den Oberschenkel verschoben werden, deutet dies auf verletzte Bänder hin. Mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie wird der Befund überprüft. Eine andere Methode ist die Gelenkpunktion. Dabei sticht der Arzt eine Hohlnadel in das Gelenk. Tritt dabei Flüssigkeit aus und ist darin Blut enthalten, ist das ein Indiz für gebrochene Knochen oder verletzte Bänder.

Müssen Kreuzbandrisse operiert werden?

Nicht zwingend. Das gut durchblutete hintere Band kann sich selbst regenerieren. Es genügt, das Knie in einer Schiene sechs bis zwölf Wochen ruhig zu stellen.

Auch bei Schäden des vorderen Kreuzbandes kann man auf einen Eingriff verzichten. So lässt sich die Beinmuskulatur zum Beispiel durch Physiotherapie so stärken, dass sie die stabilisierende Funktion des Bandes fast kompensieren.

Bei jungen oder sportlich sehr aktiven Menschen sollte man aber operieren, sagt der Spandauer Orthopäde und Chirurg Andreas Pingsmann. Das Gleiche gilt, wenn das Kniegelenk öfter umknickt und so den dämpfenden Knorpel schädigt.

In den meisten Fällen wird das Kreuzband durch eine mehrfach gefaltete und so verstärkte Sehne ersetzt, die an einer anderen Körperstelle entnommen wird, wo diese verzichtbar ist – zum Beispiel ein Teil der Kniestrecksehne an der Kniescheibe oder von Oberschenkelsehnen.

Diese Verpflanzungen können sowohl unter Voll- wie auch unter Teilnarkose durchgeführt werden. Der Chirurg schneidet an zwei Stellen unterhalb des Knies die Haut um einen Zentimeter auf. Mit einem Endoskop, einem langstieligen Instrument, an dessen Spitze ein Skalpell sitzt, schabt er zunächst die Reste des gerissenen Bandes von den Knochen. Einen dritten Schnitt benötigt der Chirurg, um am Knie, Ober- oder Unterschenkel eine Sehne zu entnehmen. Dieses runde und 28 Zentimeter lange Sehnenstück wird mehrfach übereinandergeschlagen, bis es acht Zentimeter kurz, aber dafür wesentlich dicker ist. Anschließend dübelt oder schraubt der Arzt das Stück an die Ansätze des natürlichen Bandes.

Die Operation des vorderen Kreuzbandes dauert eine dreiviertel Stunde. Muss das hintere Band ersetzt werden, weil die herkömmliche Methode der Ruhigstellung nicht genügt, dauert der Eingriff anderthalb Stunden.

Können die Kreuzbänder auch ambulant operiert werden?

Jüngere, kräftigere Patienten, die nach der OP abgeholt und weiter betreut werden, könne man prinzipiell auch ambulant operieren, sagt der niedergelassene Chirurg Pingsmann. Aber genauso wie seine Kollegen vom Unfallkrankenhaus ist er der Meinung, dass eine stationäre Aufnahme bei einer Bänder-OP besser sei. „Das ist kein leichter Eingriff.“ Die Patienten seien danach meist noch sehr wackelig auf den Beinen oder wegen der Narkosenachwirkungen für Stunden bettlägerig. Außerdem sei bei ein oder zwei Tagen in der Klinik die ärztliche Überwachung möglicher Komplikationen besser zu organisieren. Neben allgemeinen Komplikationen, wie Wundinfektionen oder Thrombosen, kann das verpflanzte Sehnenstück reißen oder sich lockern.

Können auch die Bänder im Sprunggelenk reißen?

Bei jedem Schritt trägt das Sprunggelenk unser gesamtes Körpergewicht – und bei heftigen Bewegungen oder Stößen auch ein Mehrfaches davon. Es verbindet Fuß und Unterschenkel. Seitliche Bänder stabilisieren es. Das Deltaband spannt sich an der Innenseite dreiecksförmig vom Innenknöchel zum Fersen-, Kahn- und Sprungbein. An der Außenseite des Gelenks befinden sich drei weitere Bänder.

Knickt der Fuß nach außen weg, kann das Deltaband überdehnt werden. Da es sehr kräftig und elastisch ist, wird es jedoch nur selten dabei durchtrennt. Häufiger ziehen sich die Außenbänder Verletzungen zu. Knickt der Fuß nach innen weg, können diese reißen. Werden dabei auch Blutgefäße durchtrennt, schwillt das Gelenk schnell an. Es tut dann sehr weh, besonders beim Auftreten.

Müssen Schäden an den Sprunggelenksbändern operiert werden?

Risse einzelner Sprunggelenksbänder werden nur noch selten genäht. „Schient man bei einer frischen Verletzung das Gelenk, heilt es genauso gut wie ein operiertes“, sagt Unfallchirurg Dirk Casper vom Unfallkrankenhaus. Sechs Wochen lang muss der Verunglückte eine Schiene, die vom Unterschenkel bis unter den Fuß reicht, tragen. Sie verhindert ein erneutes Wegknicken. Und der Patient kann damit laufen, sogar oft ohne Krücken. Sind jedoch mehrere Bänder gerissen oder knickt das Gelenk nach einem Unfall immer wieder weg, wird eine stabilisierende OP nötig. Der Chirurg näht dann entweder die gerissenen Bänder zusammen oder ersetzt sie wie beim Kreuzbandriss durch eine mehrfach gefaltete Sehne.

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