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Berlin: Feier des Jubiläums im Musikinstrumentenmuseum

Besser, man prüft das Jubiläum nicht allzu genau: "Dreihundert Jahre Klavier" feiert Deutschlands Klavierindustrie in diesem Jahr und nutzt die Gelegenheit, für das populärste aller Musikinstrumente kräftig die Werbetrommel zu rühren. Auf wackliger historischer Basis allerdings, denn das angebliche Klavier-Geburtsjahr 1700 geht nicht etwa auf ein erhaltenes Ur-Klavier, sondern nur auf eine "erste Erwähnung" in einer Florentiner Handschrift des Jahres 1700 zurück.

Besser, man prüft das Jubiläum nicht allzu genau: "Dreihundert Jahre Klavier" feiert Deutschlands Klavierindustrie in diesem Jahr und nutzt die Gelegenheit, für das populärste aller Musikinstrumente kräftig die Werbetrommel zu rühren. Auf wackliger historischer Basis allerdings, denn das angebliche Klavier-Geburtsjahr 1700 geht nicht etwa auf ein erhaltenes Ur-Klavier, sondern nur auf eine "erste Erwähnung" in einer Florentiner Handschrift des Jahres 1700 zurück. Bislang galt in der Musikwissenschaft eher das Jahr 1709 als akzeptiertes Geburtsjahr: Damals schloss der Florentiner Instrumentenbauer Bartolomeo Cristofori die Konstruktion der bahnbrechenden Hämmerchen-Mechanik ab und etablierte damit das Grundprinzip des Klavierbaus.

Doch so lange wollten Deutschlands Klavierbauer offenbar nicht warten und gaben gestern in der Philharmonie den offiziellen Startschuss zu einer ganzen Reihe von Jubiläumsfeierlichkeiten, mit denen der in den vergangenen Jahrzehnten etwas verblasste Nimbus des Klaviers als unentbehrliches bürgerliches Möbelstück wieder aufpoliert werden soll.

Mit ihrer neunmonatigen Kampagne wollen Deutschlands Klavierbauer den Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und der Erschließung neuer Interessentenschichten schaffen: Bei der Eröffnungsparty plauderte Entertainer Michael Schanze, vom Verband im vergangenen Jahr zum Klavierspieler des Jahres gekürt, über den Spaß am Klavierspiel, während Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen eine monumentale Flügel-Skulptur enthüllte. Eine Ausstellung historischer Klaviere im Berliner Musikinstrumenten-Museum - und parallel im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und dem Musikinstrumenten-Museum in Leipzig - soll die Tradition des Instruments von den ersten leichtgewichtigen Hammerflügeln mit Holzrahmung und lederbespannten Hämmern bis hin zum modernen tonnenschweren Steinway-Konzertflügel zeigen und - historisch nicht minder großzügig gerechnet - die 300jährige Kompetenz des deutschen Klavierbaus von den ersten, um 1720 gebauten Instrumenten des Bach-Zeitgenossen Gottfried Silbermann unter Beweis stellen. Auch der Elektronik, vom ersten röhrenbestückten Synthesizer über das digitale "Synclavier" bis zum Computer, der das Gespielte gleich in Noten umsetzt, wird Platz gegeben.

Trotz der Konkurrenz, die dem Klavier durch die elektronische Konkurrenz erwachsen ist, gibt sich die Branche betont optimistisch und feiert das Jahr 2000 nicht nur als dreihundertsten Instrumentengeburtstag, sondern nach den Worten von Nikolaus Schimmel, dem Vorsitzenden des Fachverbandes der deutschen Klavierindustrie, gleichzeitig "aufgrund von über 70 Millionen Klavierspielern weltweit als Höhepunkt in der Geschichtsschreibung des klassischen Pianoforte-Spiels." Außerdem, so die offizielle Verlautbarung des Fachverbandes, fördere das Klavierspiel die Intelligenz und die Konzentrationsfähigkeit, schaffe Individualität und liege damit im Trend der Freizeitphilosophie. Und das auch noch nach 300 Jahren.

Jörg Königsdorf

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