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Feinstaub aus Braunkohlekraftwerken: 640 Menschen im Brandenburger Umland sterben jährlich früher durch Schadstoffe

Wegen des Feinstaubs aus den Braunkohlekraftwerken von Vattenfall in Südbrandenburg und Sachsen sterben laut einer Greenpeace-Studie 640 Menschen pro Jahr zu früh. Die giftigen Schadstoffe werden vom Wind kilometerweit transportiert.

Feinstaub aus den drei Braunkohlekraftwerken des Energiekonzerns Vattenfall in Südbrandenburg und Sachsen führt zu erhöhter Sterblichkeit. Insgesamt 640 Menschen sterben deshalb jedes Jahr früher als nach der statistischen Lebenserwartung. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) an der Universität Stuttgart im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace. Das 28-seitige Gutachten mit dem Titel „Tod aus dem Schlot“ über alle deutschen Kohlekraftwerke wird am heutigen Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Die gesundheitlichen Schäden treten der Studie zufolge sowohl im Umfeld der Kraftwerke in Brandenburg als auch in weit entfernten Regionen wie Berlin auf, weil die giftigen Schadstoffe aus den Kohlekraftwerksschloten vom Wind kilometerweit transportiert werden. Grundlage für die Studie waren Daten der Umweltagentur der Europäischen Union (EEA), die bereits im Oktober 2012 vor den Gesundheitskosten, verursacht durch Braunkohlekraftwerke, gewarnt hatte. Demnach gehört die Region Berlin-Brandenburg zu den Regionen Europas, wo die Luftverschmutzungen der Industrie die höchsten Gesundheitskosten verursachen.

Allein die fünf Braunkohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe in Brandenburg, das polnische Turów nahe Görlitz, in Dolna Oldra sowie Boxberg in der Oberlausitz stehen auf der Rangliste der 20 größten industriellen Luftverschmutzer in Europa. Das Kraftwerk Jänschwalde ist demnach der drittgrößte Verursacher der Schäden in Europa und der größte in Deutschland.

Auf Basis der hohen Emissionswerte der Kraftwerke hat das Stuttgarter Institut anhand der Ausbreitung des ausgestoßenen Feinstaubs errechnet, wie viele Menschen erhöhter Belastung ausgesetzt waren. Anhand dessen wurde die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen wie tödliche Herzkrankheiten, Lungenkrebs und Asthma, die durch Kohlekraftwerke verursacht werden, bestimmt. Grundlage sind wieder Zahlen der Umweltagentur. Die geht davon aus, dass bei jedem durch Feinstaub verursachten Todesfall 10,7 Lebensjahre verloren gehen. Nach den Modellrechnungen haben die Emissionen der Lausitzer Braunkohlekraftwerke im Jahr 2010 zum Verlust von knapp 7000 Lebensjahren geführt. Das ist gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Tod von mehr als 640 Menschen. Außerdem haben der Studie zufolge Krankheiten und gesundheitliche Probleme – ausgelöst durch Schadstoffemissionen der Lausitzer Kraftwerke – 2010 zu etwa 145 000 verlorenen Arbeitstagen geführt.

Derlei Studien sind allerdings umstritten. Bereits zu den Ergebnissen der Europäischen Umweltagentur hatte Brandenburgs Landesregierung erklärt, die Emissionsbelastung durch die Kohlekraftwerke sei relativ gering. Vattenfall war am Dienstag nicht zu erreichen, verweist aber stets darauf, dass die Kraftwerke nach dem deutschen Emissionsschutzgesetz und strengen Vorgaben genehmigt seien.

Zuletzt war am Montag bekannt geworden, dass an allen sechs Luftmessstationen an Berliner Hauptverkehrsstraßen der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) überschritten wird. Im schlimmsten Fall drohen dem Land nun sogar Strafzahlungen an die EU.

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