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Berlin: Felder der Fäden

In Charlottenburg öffnen heute 20 Künstler ihre Ateliers für Besucher.

Wie Haare hängen die Wollfäden aus den Wörtern, die Silvina Der Meguerditchian in Papier gestanzt hat. „Urwald“, „Winter“, „Wahl“ – die Worte verlieren durch die Fäden ihre klare Grenze. „Als Kind der armenischen Diaspora kannte ich einige armenische Wörter. Sie sind plötzlich wie Hüllen aufgetaucht, aber ich kannte ihre Bedeutung nicht“, sagt die 45-jährige Künstlerin. So kam ihr die Idee zu den Arbeiten der Serie „Semantische Felder“, die an den Wänden ihres Ateliers hängen.

1988 kam Der Meguerditchian nach West-Berlin. Seit 15 Jahren lebt und arbeitet sie in Charlottenburg. Sie hat bereits im Gropiusbau ausgestellt und den ersten „Armenischen Diaspora Pavillon“ auf der Biennale in Venedig kuratiert. An diesem Wochenende kann man ihre Arbeiten dort, wo sie entstehen, betrachten: Innerhalb der Veranstaltung „Kunstdetektor“ öffnet sie ihr Atelier, ebenso wie 19 weitere Charlottenburger Künstler.

Zum ersten Mal fand der „Kunstdetektor“ 2012 statt. Der Name ist Programm: Der Detektor spürt Charlottenburger Künstler auf – „für die Besucher und auch für die Künstler selbst“, sagt Der Meguerditchian, die zum ersten Mal teilnimmt. So lernt man sich endlich auch einmal gegenseitig kennen. Nach dem Mauerfall seien viele Charlottenburger Ateliers und Galerien nach Mitte gezogen, sagt Der Meguerditchian. „Jetzt kommen die Künstler zusammen, die nicht abgehauen sind.“

Ihr großer Schreibtisch ist von Zetteln und Stiften überflutet, hier schneidet sie ihre Videoarbeiten. Im nächsten Zimmer der als Atelier genutzten Wohnung leuchten kräftige Farben. Die bunten Wollknäuel für die „Semantischen Felder“ liegen in jeder Ecke. Fürs Kunstwochenende hat Der Meguerditchian noch Platz für eine befreundete Künstlerin geschaffen. Concha Argüeso zeigt ihre Arbeit „Berliner Heldinnen“. Zu ihr besteht einer der wenigen Kontakte, die Der Meguerditchian zu anderen Charlottenburger Künstlern hat. Sie lernten sich mit ihren Söhnen auf einem Spielplatz kennen.

„Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn es so etwas wie den Kunstdetektor schon vor 15 Jahren gegeben hätte“, sagt sie. Die Künstler organisieren die Ateliertour selbst, mit Förderung des Kulturamts Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Meguerditchian stellte die Lebensläufe der Künstler fürs Programmheft zusammen.

Auch Anja Knecht ist zum zweiten Mal dabei. Die 48-jährige Charlottenburgerin arbeitet seit kurzem im Atelierhaus auf der Schleuseninsel, umgeben von Autobahn und Schrebergärten. Zwar ist es nicht ganz einfach zu erreichen, doch Knecht vertraut darauf, dass die Besucher neugierig genug sind, das alte Industriegebäude mit den Ateliers zu erkunden. Sie hat unter anderem in der Berlinischen Galerie und in der Kleinen Orangerie am Schloss Charlottenburg ausgestellt. Neben einer Klanginstallation und Videoarbeiten zeigt sie experimentelle Fotoarbeiten. „Ich belichte meine Bilder so lange, bis etwas Neues entsteht“, sagt sie. Nicht der fokussierte Blick interessiere sie, sondern der Blick dazwischen – ein neuer Raum, der sich öffne.

Die Künstlerin freut sich, wenn sie die Reaktion der Betrachter direkt erlebt. „Wenn die Horde weg ist, klingt das noch ein bisschen nach, und man beginnt zu überlegen, was die Besucher gesagt haben.“ Einige Kontakte zu Charlottenburger Künstlern sind ebenfalls geblieben. Lange hat er auf sich warten lassen, der „Kunstdetektor“, aber jetzt will ihn keiner mehr gehen lassen. Franziska Felber

Für den „Kunstdetektor“ öffnen Charlottenburger Künstler ihre Ateliers heute, 12–18 Uhr (www.kunstdetektor.de)

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