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Berlin: Fenstersturz: Wieder ist ein kleines Kind aus dem Fenster gefallen

Bei einem Sturz aus sechs Metern Höhe ist am Freitag ein zweijähriger Junge in Treptow lebensgefährlich verletzt worden. Das Kind hatte im ersten Stock des Hauses am Ecksteinweg auf dem Fensterbrett gespielt.

Bei einem Sturz aus sechs Metern Höhe ist am Freitag ein zweijähriger Junge in Treptow lebensgefährlich verletzt worden. Das Kind hatte im ersten Stock des Hauses am Ecksteinweg auf dem Fensterbrett gespielt. Erst am Tag zuvor war in Köpenick ein Zweijähriger aus der dritten Etage gefallen. Er verletzte sich nur leicht, weil ein Polizist das Kind auffangen konnte. Gegen beide Mütter wird wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht ermittelt.

Der gestern verunglückte Zweijährige lebten mit seinen Eltern erst seit wenigen Monaten in der Treptower Drei-Zimmer-Wohnung. Nach Angaben der Polizei war der Junge kurz vor 8 Uhr auf zwei Kinderstühle geklettert, die vor dem Fenster abgestellt waren. Auf dem Sims verlor er das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Er liegt schwer verletzt auf der Intensivstation.

Während der Junge am geöffneten Fenster spielte, soll die 20-jährige Mutter des Zweijährigen und eines Babys geschlafen haben. Nach Angaben der Polizei wurde gegen sie Anzeige erstattet. Die Ermittler werfen ihr Vernachlässigung der Aufsichtspflicht in Verbindung mit fahrlässiger Körperverletzung vor. "Die Fenster stehen bei der Familie immer weit auf", sagte eine Nachbarin am Ecksteinweg.

Einen Tag zuvor war in Köpenick ein zweijähriger Junge aus dem Fenster im dritten Stock gefallen. Nach dem Notruf "Zwei Kinder spielen am offenen Fenster" waren die Polizisten in die Seelenbinderstraße geeilt. Der 30-jährige Beamte Christian Bauermeister konnte sich gerade noch in Positur stellen, bevor der kleine Angelo knapp zehn Meter tief stürzte. Beide überstanden den Unfall leicht verletzt.

Aufatmen konnten die Polizisten aber erst, nachdem sie auch den zweiten Jungen, der ebenfalls in gefährlicher Höhe herumturnte, gerettet hatten. Als auf ihr Klingeln, Klopfen und Rufen niemand reagierte, traten sie die Tür ein, stürmten durch die Wohnung und rissen Angelos Zwillingsbruder Rinaldo vom Fenster weg. Die 41-jährige Mutter bekam offenbar erst etwas mit, als die Polizisten im Zimmer waren. Die Frau soll vor dem Fernseher geschlafen haben. Nun wird auch gegen sie ermittelt. Außer ihren Zwillingen hat sie in ihrer Wohnung noch einen 13-jährigen Sohn und eine 17-jährige Tochter zu versorgen.

Nicht immer haben es sorglose Eltern zu verantworten, wenn Kleinkinder aus dem Fenster fallen. Zuweilen reichen Sekunden der Unachtsamkeit aus, um die Horrorvorstellung aller Eltern wahr werden zu lassen. Wie im Fall des Bundestagsabgeordneten René Röspel. Seine Frau hatte im vergangenen Dezember in der Einzimmer-Wohnung des Politikers morgens das Fenster zum Lüften geöffnet, während der Junge im Zimmer spielte. Als die Mutter kurz in die Küche ging, kletterte das Kind auf die Heizung und stürzte aus dem vierten Stock in die Tiefe. "Das Kind erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen", so die Polizei.

Der SPD-Abgeordnete Röspel war kurz vor dem Unfall in die "Wohnschlange" auf dem Moabiter Werder gezogen, die für Abgeordnete und Bundesbedienstete geplant worden war. Nach dem Unglück gerieten die großen Fensterfronten in die Kritik, der Wohnungsbaugesellschaft "Deutschbau" konnte aber kein Vorwurf gemacht werden: Die Brüstung, auf die der 15 Monate alte Junge geklettert war, entsprach der in der Berliner Bauordnung vorgeschriebenen Mindesthöhe von 80 Zentimetern. Die 34-jährige Mutter hatte offenbar die Fähigkeiten ihres Kindes unterschätzt.

Keine Hemmschwelle vor der Höhe

"Die Kinder entwickeln in diesem Alter eine unglaubliche Neugier", sagt Sylvia Klose, stellvertretende Leiterin einer Tiergartener Kita. Geräusche von der Straße, seien es Autolärm, Kindergeschrei oder nur eine Unterhaltung, übten auf die Kleinen eine magische Anziehung aus: "Das wollen sie unbedingt sehen." Noch gefährlicher mache diese Neugierde, dass Kinder etwa bis zum vierten Lebensjahr "keine Hemmschwelle vor der Höhe" kennen.

Immer wieder können Eltern in der Kita der Erzieherin von Beinahe-Tragödien erzählen. Beispielsweise wie eine Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm am offenen Fenster stand, als das Kind plötzlich kräftig an der Gardine riss und der Mutter aus den Händen zu gleiten drohte. Oder wie ein Junge im Krabbelalter einen Stuhl ans Fenster rückte und draufklettern wollte. Oder wie die zweijährige Tochter plötzlich auf dem Fensterbrett stand... "Die sind so schnell, so schnell kann man gar nicht gucken", sagt die Mutter einer heute sechsjährigen Tochter.

Doch oft bleibt es eben nicht bei der Beinahe-Tragödie. "Ein dreijähriges Mädchen erlitt bei einem Fenstersturz aus dem ersten Stock lebensgefährliche Verletzungen", meldete der Tagesspiegel erst am 28. Mai dieses Jahres. Schwer verletzt überlebte im Mai 1998 ein Dreijähriger in Hellersdorf den Fall aus dem vierten Stock, ein Zweijähriger blieb im August 1998 beim Sturz aus dem dritten Stock in Neukölln fast unverletzt. Ein Jahr zuvor starben zwei zweijährige Jungen aus Kreuzberg und Spandau.

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