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Volles Programm. Am Senatstisch wird kontrovers diskutiert. Uneinigkeit herrscht beispielsweise zwischen den Senatoren Nußbaum (li.) und Müller (re.) über die Liegenschaftspolitik – Regierungschef Wowereit hat am Tischende noch kein Machtwort gesprochen, Innensenator Frank Henkel (re.) hält sich ebenfalls raus. Die Wirtschaftssenatorin von Obernitz (li.) will sich für die „Spätis“ einsetzen.

© dapd

Ferienende für die rot-schwarze Regierungskoalition: Jetzt kommt alles auf den Tisch

Berlins SPD und CDU stehen vor großen Problemen und sind sich nicht in allem einig. Viel Geld muss ausgegeben werden, das die Stadt nicht hat. Eine Übersicht über die wichtigsten Themen, die in diesem Herbst gelöst werden müssen.

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Die Schulferien sind vorbei, in zwei Wochen tagen die ersten Parlamentsausschüsse. In diesem Herbst muss die Landespolitik zentrale Probleme lösen:

FLUGHAFEN BER

Ob der Hauptstadt-Airport im März 2013 eröffnet werden kann, steht in den Sternen. Aber vielleicht klärt der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft am 16. August, wie hoch die zusätzlichen Kosten sind und welchen Anteil das Unternehmen selbst tragen kann. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rechnet intern damit, dass im Landeshaushalt 220 Millionen Euro für die Mehrausgaben eingestellt werden müssen. Der CDU-Fraktionschef Florian Graf legt sich noch nicht fest: „Zunächst erwarten wir, dass der Flughafen eigene Anstrengungen unternimmt.“ Neue Schulden dürften nur das allerletzte Mittel sein, um das nötige Geld zu beschaffen. „Dafür hätte die Bevölkerung kein Verständnis“, sagt Graf. Die Sozialdemokraten sehen das ähnlich. Die Finanzierung des Flughafen-Desasters möglichst ohne Neuverschuldung sei in der Koalition kein strittiges Thema, versichert der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider. Die Opposition wappnet sich derweil für den Untersuchungsausschuss, der die Ursachen des BER-Debakels klären soll. Spätestens Anfang September soll er eingesetzt werden. Vor allem Piraten und Grüne hoffen, sich hier politisch profilieren zu können.

Bildergalerie: Der unfertige Flughafen BER:

AUTOBAHN A 100

Am 27. und 28. September wird vor dem Bundesverwaltungsgericht über die mindestens 475 Millionen Euro teure Verlängerung der Autobahn verhandelt. Im Oktober will das Gericht über den vom BUND, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Anwohnern beklagten Planfeststellungsbeschluss entscheiden. „Ich bin zuversichtlich, dass der Weiterbau anschließend zeitnah beginnen kann, sofern der Bund alle finanziellen Voraussetzungen geschaffen hat“, sagt Graf. Auch Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) erwartet, dass das 3,2 Kilometer lange Teilstück zwischen Dreieck Neukölln und Treptower Park ab Herbst gebaut werden kann. Die SPD-Linke toleriert das ungeliebte Projekt stillschweigend.

Bildergalerie: Streit um den Ausbau der A 100:

GROSSE INVESTITIONEN

Die Frage steht im Raum, ob eines der großen Investitionsprojekte, zum Beispiel die neue Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld, dran glauben muss, um den Flughafen ohne zusätzliche Kredite finanzieren zu können. Darüber sprechen die Entscheidungsträger bei SPD und CDU nicht öffentlich, aber sie machen sich so ihre Gedanken. Der Senat will die neue Investitionsplanung bis 2016 im Herbst beschließen. Der Union sind vor allem die Sanierung des Internationalen Congress Centrums (ICC), die Tangentialverbindung Ost und die Nachnutzung des Flughafens Tegel durch Ansiedlung eines Hochschulstandortes wichtig. In der SPD-Fraktion ist noch strittig, ob das ICC als Kongressstandort erhalten bleiben soll, was 300 Millionen Euro kosten würde. Oder ob das Gebäude nur asbestsaniert und dann privaten Interessenten angeboten wird.

STROM UND GAS

Die Konzessionsverträge mit Vattenfall (Stromnetz) und Gasag (Gasnetz) laufen Ende 2013 bzw. 2014 aus. Die SPD will, dass sich das Land Berlin für die nächsten 20 Jahre mindestens zur Hälfte am Stromnetz beteiligt. „25 Prozent, wie in Hamburg, ist uns zu wenig“, sagt Torsten Schneider. Die CDU stellt dagegen die Ziele eines neuen Konzessionsvertrags in den Vordergrund: „Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und das Sicherstellen der Energiewende sind unsere Kriterien“, sagt Florian Graf. Die Koalition müsse klären, wie diese Ziele am besten erreicht werden könnten. Die CDU möchte das Stromnetz in privater Hand belassen. Demnächst wird es dazu Fachgespräche geben. Spannend könnte es werden, wenn ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Netze und zur Gründung von Stadtwerken erfolgreich anlaufen sollte. Das Interesse am Gasnetz ist dagegen gering: Zu teuer und für die öffentliche Hand weitgehend uninteressant. Bei der Opposition will vor allem die Linke sich beim Thema Rekommunalisierung politisch hervortun – auch, um die SPD an einstmals gemeinsame Ziele zu erinnern, wie Linksfraktionschef Udo Wolf sagt.

WASSERPREISE

Den Christdemokraten ist nur wichtig, dass im Zuge des Rückkaufs der Wasserbetriebe die Preise gesenkt werden. „Ohne eine spürbare Entlastung der Bürger macht eine Rekommunalisierung wenig Sinn“, sagt Fraktionschef Graf. „Kein Problem, das können wir im Parlament verbindlich festlegen“, verspricht der SPD-Fraktionsgeschäftsführer und Haushaltsexperte Schneider. Den Sozialdemokraten wäre es aber sehr lieb, wenn nicht nur die Anteile des Miteigentümers RWE, sondern auch des zweiten privaten Investors Veolia zurückgekauft würden. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) führt Verhandlungen darüber.

Wie geht es mit der S-Bahn und den "Spätis" weiter?

S-BAHN

Die vom Senat im Juni beschlossene Teilausschreibung des S-Bahnrings samt südöstlicher Zubringerstrecke wird nun auch von der SPD-Fraktion zähneknirschend mitgetragen. Es steht zwar noch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes zu der Frage aus, ob eine Gesamtausschreibung des Streckennetzes rechtens wäre. Doch alle Experten rechnen damit, dass die Juristen des Abgeordnetenhauses dies spätestens im September negativ beurteilen und sich der herrschenden Rechtsmeinung anschließen. SPD und CDU hoffen insgeheim, dass die Deutsche Bahn für den S-Bahnring den Zuschlag erhält. Die Opposition sieht noch Klärungsbedarf – und will sich die Reibungen zwischen SPD und Senat zunutze machen. Deswegen haben die Linken mit Unterstützung der anderen Oppositionsfraktionen für den 15. August eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses beantragt – fünf Tage bevor das Parlament offiziell wieder arbeitet.

ÖFFENTLICHE GRUNDSTÜCKE

Noch immer gibt es kein abgestimmtes Senatskonzept für den Umgang mit Liegenschaften des Landes. Finanzsenator Nußbaum (parteilos, für SPD) und Stadtentwicklungssenator Müller (SPD) schieben sich gegenseitig Konzeptpapiere zu, Wowereit hat es bislang vermieden, ein Machtwort zu sprechen. Auch die CDU hält sich aus dem Streit raus. Am Ende wird entscheidend sein, wie viel Geld ein Liegenschafts-, Wohn- und Mietenkonzept kosten darf, denn preiswerter Wohnraum bedarf öffentlicher Förderung.

SPÄTVERKAUFSSTELLEN

Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) steht aus rechtlichen Gründen einer Sonntagsöffnung bei den „Spätis“ sehr skeptisch gegenüber. Sie hat dabei, so hört man, den SPD-Fraktionschef Raed Saleh und wohl auch eine Mehrheit in der Fraktion hinter sich. Dagegen will sich die CDU und deren Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) an die Spitze der Bewegung stellen. Offen ist, wie die Koalition aus dem Dilemma herauskommt.

RISIKOABSCHIRMUNG

Zum Verdruss des Finanzsenators wurde ein Gesetz zur Ablösung der Risikoabschirmung für die Skandalfonds der ehemaligen Bankgesellschaft (21,3 Mrd. Euro) durch eine normale Kreditbürgschaft (3,8 Mrd. Euro) auf Initiative der SPD vor der Sommerpause vertagt. Es gibt in der Koalition zwar keine grundsätzlichen Bedenken, aber Streit im Detail. Vor allem um die Frage, ob das Controlling-Unternehmen BCIA mit seinen 30 Mitarbeitern vorerst erhalten bleibt, um die Garantieansprüche für die Fonds weiterhin zu überprüfen.

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