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Sein Auftritt im Fernsehen ist umstritten: Der "Imam von Sachsen" Hassan Dabbagh steht seit Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

© dpa

Fernseh-Auftritt: Ein Salafist auf großer Bühne

Er steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes - und trat nun vor einem Millionenpublikum auf: Die Einladung des "Imam von Sachsen", Hassan Dabbagh, in die Talkshow von Sandra Maischberger war umstritten. Die Gesprächsrunde selbst geriet zum Tumult.

Wie man im Fernsehen einen guten Eindruck macht, weiß Hassan Dabbagh. Ruhig sitz er da auf seinem Stuhl, nickt, wenn die anderen in der Gesprächsrunde reden, die schmalen Lippen reglos, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Er trägt eine weiße Häkelmütze, ein bodenlanges Gewand, sein Bart verdeckt das rundliche Gesicht. Als er zu Wort kommt, bedankt er sich artig bei der Moderatorin für die Einladung. Er spricht vom „Dialog zwischen den Religionen“, einem friedvollen Miteinander, von Warmherzigkeit und Toleranz. „Imam von Sachsen“ ist als Bezeichnung unter seinem Namen eingeblendet, beim zweiten Mal „muslimischer Gelehrter“ – andere nennen Dabbagh einen Hassprediger. Die Szene ist sechs Jahre alt und stammt aus der Talksendung "Sabine Christiansen".

Mai 2012, gleicher Gast, andere Couch: Dabbagh sitzt in der Gesprächsrunde von Sandra Maischberger. Von Zurückhaltung diesmal keine Spur, stattdessen läuft das Gespräch schon nach zehn Minuten aus dem Ruder. Dabbagh wird laut, gestikuliert wild. "Das stimmt nicht!", "Lassen Sie mich ausreden!", ruft er, wenn andere das Wort ergreifen. Neben ihm wettern der jüdische Journalist und Jurist Michel Friedman und der katholische Journalist Matthias Matussek. Die türkischstämmige Schauspielerin Renan Demirkan, die muslimische Moderatorin Kristiane Backer und CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach lassen es etwas ruhiger angehen. Die Moderatorin hat trotzdem sichtlich Mühe, Ordnung in ihre Gästerunde zu bekommen, denn das Thema des Abends ist brisant: "Die Salafisten kommen: Gehört dieser Islam wirklich zu Deutschland?"

Zu Beginn der Sendung soll ein Einspieler erklären, wer die Salafisten sind: Sie vertreten eine radikale Rückbesinnung auf den Koran, erachten die Scharia als einziges legitimes Gesetz und wollen einen islamischen Gottesstaat errichten, in dem in Deutschland garantierte Grundrechte keine Geltung haben, heißt es. "Wie leben Sie den Salafismus im Alltag?", wendet sich Maischberger danach an Dabbagh. Er sei gar kein Salafist, entgegnet dieser. Sondern? "Ich bin ein Moslem, meine Religion ist der Islam." Der Salafismus werde vom Staatsschutz und den Medien genutzt, um ein Feindbild des Islams zu erschaffen, überhaupt würden Muslime in Deutschland diskriminiert. Michel Friedman will es genauer wissen: "Ist für Sie der Koran höherwertiger als das Grundgesetz?" Dabbagh weicht aus, antwortet schließlich, solange er in einer Minderheit in Deutschland lebe, ordne er sich den hiesigen Gesetzen unter.

Schon vor der Ausstrahlung der Sendung war ein Streit darüber entbrannt, ob jemand wie Dabbagh eine Plattform im Fernsehen erhalten sollte. Ihn selbst dürfte die Einladung ins Erste Deutsche Fernsehen gefreut haben: Er sucht die große Bühne, verbreitet seine Botschaften für gewöhnlich per Video im Internet, eine Facebook-Seite hat er auch. Wolfgang Baake, Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung, kritisierte die Einladung des umstrittenen Predigers scharf. "Wie kann man verantworten, dass Salafisten in der ARD eine publizistische Plattform geboten wird und Hassan Dabbagh in der Sendung allein schon durch seine Anwesenheit für seine demokratiefeindliche Ansichten werben kann?“, fragt er. Er kritisierte besonders, dass Dabbagh in der Presseinformation zu der ARD-Sendung zu "einem der wichtigsten Gelehrten des Islam in Deutschland" erklärt wird. In der Ankündigung finde sich aber kein Hinweis auf seine gefährliche Ideologie.

"Du sollst vergessen, Bruder"

Auch wenn die Einladung des "Imam von Sachsen" Empörung hervorrief: Die Redaktion war während der Sendung stets bemüht, den zweifelhaften Ruf ihres Gastes transparent zu machen: Dabbagh, gebürtiger Syrer mit deutscher Staatsangehörigkeit, leitet die Leipziger Al-Rahman-Moschee, wo er Kinder und Erwachsene den Koran lehrt. Doch er gilt weit über Leipzig hinaus als ein Wortführer der Salafisten, nach dem Konvertiten Pierre Vogel ist er eines der bekanntesten Gesichter deutscher Islamprediger. Dabbaghs Verein „Islamische Gemeinde in Sachsen – Al-Rahman-Moschee“ steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Er sei ein "Knotenpunkt bei der Verbreitung der extremistischen salafistischen Ideologie in Sachsen", heißt es im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen im Jahr 2009. "Es besteht Grund zu der Annahme, dass das in der Al-Rahman-Moschee vertretene geschlossene Weltbild – das keinen Raum für die freiheitliche demokratische Grundordnung bietet – den Nährboden für eine islamische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung bilden kann."

Auch vor Gericht ist Dabbagh kein Unbekannter. Im Jahr 2003 war er eine Randfigur eines Terrorprozesses vor dem Landgericht Berlin. Brisant vor allem ein Gesprächsmitschnitt, in dem er einem Zeugen dazu riet, seine Kenntnisse über einen Terroranschlag bei einer Vernehmung zu verschweigen. "Du sollst vergessen, Bruder", soll Dabbagh geraten haben, "wenn ein Muslim einen Muslim deckt, den deckt Gott am jüngsten Tag im Diesseits und im Jenseits." Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte wesentliche Auszüge des Dialogs. Im Jahr 2009 dann ermittelte die Staatsanwaltschaft München gegen Dabbagh und acht weitere Islamisten. Der Vorwurf: Volksverhetzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Zu einer Verurteilung ist es nie gekommen. Das Landgericht München I sah eine kriminelle Vereinigung nicht erwiesen und erklärte, es sei örtlich nicht zuständig.

In der Maischberger-Sendung distanziert sich Dabbagh von jeglicher Gewalt, verurteilt die Ausschreitungen bei Kundgebungen der anti-islamischen „Pro“-Bewegung, bei der 29 Polizisten verletzt wurden. "Ich rufe zu Frieden und Vernunft auf, ich bin gegen Gewalt", sagt er. Wenn es gewalttätige Anhänger von ihm gebe, treffe ihn keine Schuld. "Wenn ein Professor zehn Schüler hat und er bringt ihnen bei, dass er für Frieden ist, aber zwei oder drei der Schüler werden kriminell - ist dann der Professor schlecht?", fragt Dabbagh in die Runde. Wolfgang Bosbach bringt es wenige Minuten später auf den Punkt: "Gefährlich sind nicht nur die, die den Finger krumm machen. Gefährlich sind auch die, die den kriminellen Nährboden für Gewaltakte bereiten."

Nach 70 Minuten Streit versucht Maischberger es mit einem versöhnlichen Schlusswort: Was ihre Gesprächsrunde heute Abend versucht habe, sei nun Aufgabe der Gesellschaft - sich aneinander zu gewöhnen und einander zuzuhören. Bosbach unterbricht sie: "Das hat ja prima geklappt!".

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