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Berlin: Feuer im Ritz – neues Luxushotel evakuiert

Der Brand brach im Turm über dem Fünf-Sterne-Haus am Potsdamer Platz aus. Das Personal reagierte schnell und verhinderte Schlimmeres

Von Tanja Buntrock

und Jan-Martin Wiarda

Ein weißer Bademantel ist alles, was Sybille Franzmann mitnehmen durfte. Sie saß gerade in der Sauna des Ritz-Carlton, als die Wachleute kamen, um sie in Sicherheit zu bringen. Jetzt steht sie in der Lobby des benachbarten Marriott, und in der Hand hält sie Konzertkarten für die Philharmonie. Extra aus Frankfurt am Main ist sie angereist für das Konzert. Das wird sie jetzt verpassen. Sie hat ja nichts zum Anziehen.

Es ist 18.20 Uhr, als der Feuermelder im am 12. Januar feierlich eröffneten Luxus-Hotel am Potsdamer Platz Alarm auslöst. Zwei Sicherheitsleute des Hotels verständigen sofort den Notruf der Feuerwehr. 600 bis 700 Menschen halten sich zu diesem Zeitpunkt im Gebäude auf, in den Zimmern, Restaurants und im Ballsaal, doch das Personal reagiert schnell: Schon bevor die Feuerwehr mit drei Staffeln, zwei Sonderfahrzeugen und rund 25 Mann eintrifft, haben sie die elf Etagen des Hotels geräumt und alle Gäste in Sicherheit gebracht. „Wir sind nochmal alle Zimmer abgegangen, um auch die herauszuholen, die nicht von selber herauskamen“, sagt Hoteldirektor Walter Junger.

Das Feuer war im 12. Stock in den noch nicht fertig gebauten Apartements ausgebrochen. Vier Kubikmeter Baumaterial waren aus noch ungeklärter Ursache in Brand geraten, hieß es bei der Polizei. Zwei Sicherheitsleute des Hotels wurden mit einem Rettungswagen wegen Verdachts auf Rauchgasvergiftung ins Urban-Krankenhaus nach Kreuzberg gebracht. Sie konnten jedoch schon kurze Zeit später wieder entlassen werden. Alle Gäste blieben unverletzt.

Von der 12. bis zur 18. Etage des Gebäudekomplexes befinden sich Luxuswohnungen im Bau. Zunächst kursierte das Gerücht, dass sich noch Arbeiter in dem Stockwerk befanden, in dem der Brand ausgebrochen war. Sie hätten das Feuer ausgelöst, hieß es zunächst. „Das war aber nicht der Fall“, konnte ein Polizeisprecher am späten Abend bestätigen. Bauarbeiter seien definitiv nicht mehr im Gebäude gewesen.

Einige Gäste glaubten zunächst, es handle sich um eine Übung, denn erst am 30. Dezember hatte ein Test der Sicherheitsvorkehrungen in dem neuen Hotel einen Großalarm bei der Feuerwehr ausgelöst. Doch diesmal ist es ernst. Während die Feuerwehr noch mit dem Löschen beschäftigt ist, stehen unter den Hochhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein paar Schaulustige und starren nach oben. Viele sind es allerdings nicht, denn die Temperaturen liegen bei sechs Grad unter Null, und die meisten verdrücken sich in eines der Restaurants im Umkreis. Aus dem 14. Stock des Beisheim-Centers quillt zu dieser Zeit dichter Rauch. Die Polizei sperrt den Bürgersteig unter dem Turm ab, weil sie befürchtet, durch die Hitzeentwicklung könnten Scheiben auf die Straße stürzen. Gäste werden ins Marriott umgeleitet. Auch Chris Luigi aus Paris trägt einen Bademantel. Er hat zwar ein Hemd drunter, aber zum Bankett am Pariser Platz reicht das nicht. Er grinst, schlürft Champagner und scherzt mit seinen Kollegen, die sich aus ganz Europa zu einem Treffen seiner Firma versammelt haben. „Berlin ist eine spannende Stadt“, sagt er.

Von der Galerie im ersten Stock schauen die Ritz-Angestellten auf das Treiben im Atrium hinunter. Sie sollen sich nicht unter die Gäste mischen. Ihre Kollegen vom Marriott verteilen derweil Häppchen an die Wartenden. Die diskutieren, wie lange der Spuk wohl noch dauern wird. Er dauert bis kurz nach acht. Dann bekommt Direktor Junger von der Feuerwehr das Okay und setzt seine Angestellten in Bewegung. In einer langen Prozession wandern sie durch den Hintereingang zurück ins Hotel. Unterwegs spenden sie den Feuerwehrleuten Beifall, die gerade ihre Schläuche einrollen. Die Gäste im Bademantel folgen ein paar Minuten später. Auf sie wartet schon das Festessen. Wacker versucht Junger, der Situation noch etwas Positives abzugewinnen: „Immerhin haben die Ereignisse gezeigt, dass unser Notfallplan perfekt funktioniert.“ Sybille Franzmann hat es auch plötzlich ganz eilig. „Vielleicht schaffe ich es ja noch zur zweiten Hälfte.“

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