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Hier werden wahrscheinlich noch eine ganze Weile keine Flieger abheben: Der Flughafen BER.

© dapd

Fiasko-Flughafen BER: Die Milliarden-Rechnung

Der Steuerzahler muss gerade stehen für den Pannen-Flughafen: Die Haushälter Berlins und Brandenburgs stellen sich auf die Folgekosten nach dem BER-Chaos ein. Platzeck plant mit 435 Millionen Euro, während Wowereit mit der Hälfte kalkuliert. Derweil hat der Aufsichtsrat seinen Kulanz-Beschluss zum Schallschutz wieder aufgehoben. Heimlich.

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Für das Milliarden-Fiasko um den Willy-Brandt-Flughafen werden zum Teil die Steuerzahler aufkommen. Als erster Miteigentümer der Flughafengesellschaft (FBB), die auch Berlin und dem Bund gehört, prescht Brandenburg jetzt vor: Im Haushaltsentwurf 2013/2014, den Finanzminister Helmuth Markov (Linke) am Dienstag durch das rot-rote Kabinett bringen wird, sind wegen der Mehrausgaben für den Airport 435 Millionen Euro eingeplant, davon 218 Millionen Euro als Landesanteil für den bislang unterfinanzierten Schallschutz.

Die Gesamtsumme von 435 Millionen Euro entspricht dem Anteil Brandenburgs an der FBB von 37 Prozent. Insgesamt werden die Mehrkosten auf 1,17 Milliarden Euro geschätzt.

Im Gegensatz zu Berlin hält es Brandenburg für unrealistisch, dass die FBB viel davon erwirtschaften kann. Außerdem geht Potsdam davon aus, dass beim Schallschutz – als Konsequenz aus dem Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) – der Etat von 157 Millionen Euro um 591 Millionen Euro aufgestockt werden muss.

Allerdings wird der vom OVG als „systematisch“ rechtswidrig gerügte Spar-Lärmschutz am BER bis zum Tage fortgesetzt. Und nicht nur das, der Aufsichtsrat hat auf der letzten Sitzung - bislang verheimlicht - sogar seinen Kulanz-Beschluss vom April 2012 wieder aufgehoben, auch Schallschutz für Wohnküchen und Wintergärten zu finanzieren.

Damals war das Programm von 140 Millionen Euro um 17 Millionen Euro leicht aufgestockt worden. „Das gilt nicht mehr“, bestätigte FBB-Sprecher Rainer Kunkel am Abend. Begründet wurde die Rücknahme der „freiwilligen Leistung“ mit den bald fälligen Pflichtausgaben von rund 600 Millionen, gegen die der Aufsichtsrat die FBB gleichzeitig aber trotz geringer Chancen vorgehen lässt.

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Der neue Doppeletat ist der letzte Haushalt vor der Landtagswahl 2014 in Brandenburg. Mit dem  „Einbuchen“ der Flughafenkosten wolle man das Thema rechtzeitig abräumen, heißt es. Dagegen setzt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in Berlin offenbar darauf, dass nur die Hälfte der Mehrausgaben für den Flughafen aus öffentlichen Mitteln beglichen werden müssen, also von den Steuerzahlern.

Es reiche aus, im Landeshaushalt für 230 Millionen Euro Vorsorge zu treffen, sagte er in interner Runde. Der Regierende sprach allerdings von einer vorläufigen Schätzung. Der Airport müsste danach eine halbe Milliarde Euro beitragen.

Der Brandenburger Kurs wird in Berlin zur Kenntnis genommen. „Die arbeiten mit einem Worst-Case-Szenario“, sagte der haushaltspolitische Sprecher und Geschäftsführer der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Torsten Schneider. Alle prognostizierten Mehrkosten, die auf das Land theoretisch zukommen könnten, würden als Risikovorsorge verbucht. „Wir haben uns für ein anderes Vorgehen entschieden und brauchen erst einmal belastbare Zahlen.“ Die soll der FBB-Aufsichtsrat im August liefern.

Nach der Sommerpause wird Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Koalitionsfraktionen SPD und CDU einen Vorschlag machen. Wenn klar ist, dass die FBB noch im laufenden Jahr oder 2013 bares Geld braucht, was offen ist, wird Nußbaum einen Nachtragshaushalt vorlegen. Ansonsten könnte es reichen, die zusätzlichen BER-Ausgaben in die Finanzplanung bis 2016 einzupreisen, die im Herbst vom Senat beschlossen wird. Und anschließend in den Etatentwurf für 2014/15, der voraussichtlich im Juni 2013 vorliegt. „Entscheidend ist, und dieses Ziel müssen alle drei Gesellschafter vor Augen haben, dass der Flughafen jederzeit seine finanziellen Verbindlichkeiten bedienen kann“, sagte Schneider.

Aus der Eigenverantwortung für das Desaster in Schönefeld solle er aber nicht entlassen werden. „Die Geschäftsführung hat das vernagelt und muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, das nötige Geld aufzubringen“, sagte Schneider. Dafür gebe es, mit Unterstützung der drei Gesellschafter, einen bunten Instrumentenkasten: Durch staatliche Bürgschaften abgesicherte Kredite, Anleihen, Schuldübernahmen und die Aufstockung des Eigenkapitals. Zum Bau des Flughafens haben Berlin, Brandenburg und Berlin bereits 430 Millionen Euro Gesellschaftermittel beigetragen. Dabei wird es nun nicht bleiben.

Zur Erinnerung: Die Mehrkosten für den Airport setzen sich aus 591 Millionen Euro für Schallschutz, 200 Millionen Euro Vorsorge für Schadensersatz, 276 Millionen Euro für Nachträge und Bauerweiterungen sowie 110 Millionen Euro für die Verschiebung der Eröffnung zusammen.

Das BER-Chaos beschäftigt jetzt auch das Landgericht Potsdam. Die FBB versucht, den früheren Generalplaner für einen Teil der Kosten der verschobenen Inbetriebnahme haftbar zu machen. Die FBB reichte Klage gegen die Planungsgemeinschaft – die Büros J.S.K. International und Gerkan, Marg und Partner – ein. Als Grund der fristlosen Kündigung hatte die FBB „insbesondere die mangelhafte Koordinierung der Bauüberwachungsleistungen angegeben“, was man sich nun vom Gericht bestätigen lassen will.

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