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Helmut Newton in einer Szene des Films "Helmut Newton - The Bad And The Beautiful". Der Film kommt am 9. Juli in die Kinos.

© Filmwelt/dpa

„The Bad and the Beautiful“ im Kino: So erinnern sich die Frauen an Helmut Newton

Kann man in Zeiten von #Metoo einen Film über den Fotografen Helmut Newton drehen? Ja, sagt Regisseur Gero von Boehm. Am Samstag läuft der Film auf 3sat.

An den Moment, in dem er die Todesnachricht erhielt, erinnert sich Gero von Boehm noch genau. Damals drehte der Regisseur und Produzent gerade in New York, machte in seinem Hotelzimmer den Fernseher an und hörte als erstes, dass Helmut Newton gestorben sei. „Kann nicht sein. Da hat er wieder einen Witz gemacht“, war sein erster Gedanke.

Einen Tag später sprach er dann lange mit Newtons Frau June. In all den Jahren, die seitdem vergangen sind, wuchs in ihm der Gedanke, einen Kinofilm zu machen über den großen Fotografen, der auch ein Freund für ihn war. Diese Woche kommt der Film „Helmut Newton – The Bad and the Beautiful“ ins Kino. Anlass ist der 100. Geburtstag des Fotografen am 31. Oktober.

[Zum 100. Geburtstag von Helmut Newton zeigt 3sat den Kinofilm um 20 Uhr 15 im Fernsehen]

Material gab es genug. Für eine Arte-Dokumentation hatten sich die beiden im Jahr 2002 auf lange Streifzüge begeben, durch Paris, durch Monte Carlo und vor allem durch Berlin, die Heimatstadt Newtons, die er so sehr liebte. Als Helmut Neustädter wurde er 1920 in Schöneberg geboren, Sohn eines jüdischen Knopffabrikanten. Er verließ die Stadt 1938 in letzter Minute auf der Flucht vor den Nazis.

Zusammen mit Gero von Boehm stand er noch einmal auf dem Bahnsteig am Bahnhof Zoo, von dem aus die Flucht Richtung Singapur begann. „Das letzte, was er sah, war das frühere Landwehrkasino“, sagte von Boehm. Dort, in der Jebensstraße 2, im Museum für Fotografie, residiert die Newton-Stiftung, wird heute heute seine Sammlung gezeigt.

Gero von Boehm wohnt in Charlottenburg, gar nicht so weit vom Strandbad Halensee entfernt. Auch das hat er erst durch die Streifzüge mit Newton kennengelernt. „Er hat mir erzählt, dass er jeden Morgen dort schwimmen ging und dann oft tropfnass und zu spät in der Schule ankam. Die Schilder „Für Juden und Hunde verboten“, ignorierte er.

„Berlin zog ihn magisch an“

Im Volkspark Schöneberg zeigte Helmut Newton Gero von Boehm einen Zaun, von dem er heruntergefallen war und sich den Arm gebrochen hatte, nachdem er einem Mädchen auf dem Roller hinterher gesehen hatte. „Berlin zog ihn magisch an.“ Abende lang haben sie im Restaurant „Diener“ in der Grolmanstraße gesessen, weil er die Atmosphäre dort liebte.

In der Schlüterstraße, wo damals das „Hotel Bogota“ noch stand, haben sie sich an Yva erinnert, die legendäre Fotografin, bei der Helmut Newton seine Fotografie-Lehre absolviert hatte. Später wurde sie von den Nazis umgebracht.

Von der Paris Bar ins Hotel Savoy

Gemeinsam mit von Boehm suchte Newton immer neue alte Orte auf. „Er liebte es, in der Gegend um den Savignyplatz herumzustreifen, die Paris Bar, das Hotel Savoy, das war seine Welt.“ Natürlich waren sie auch in der Innsbrucker Straße 24, dem Haus mit der Gedenktafel, in dem Helmut Neustädter aufgewachsen ist.

Später dann, als Fotograf, hat Newton einen Skandal verursacht, als er Modeaufnahmen für die deutsche „Vogue“ an der Mauer machte mit den Wachttürmen im Hintergrund. „Er hat die Modefotografie revolutioniert, als es höchste Zeit dafür war. Bis dahin war alles nur schön und lieblich“, erinnert sich von Boehm.

Gero von Boehm traf für den Film über Helmut Newton auch Grace Jones. Dessen Fotos von der Sängerin verursachten einst einen Skandal. 
Gero von Boehm traf für den Film über Helmut Newton auch Grace Jones. Dessen Fotos von der Sängerin verursachten einst einen Skandal. 

©  Pierre Nativel/LUPA FILM

Diese Faszination brachte von Boehm darauf, wer eigentlich zu Wort kommen solle in seinem Kinofilm. Seine Antwort lautete: „Frauen!“ Er wollte nicht die üblichen Männeranekdoten. Was haben Frauen über den Fotografen der „Big Nudes“ gedacht, das interessierte ihn.

Er fand „zehn tolle Frauen“, darunter Grace Jones, Isbella Rossellini, Nadja Auermann, Marianne Faithful, die von ihren Begegnungen erzählten und erlebte dabei selber manche Überraschung. Am meisten verblüfft hat ihn das Statement von Charlotte Rampling, die erzählte, dass Helmut Newton ihr durch das Shooting eine enorme innere Kraft gegeben habe, ohne die ihre spätere Karriere so nicht stattgefunden hätte.

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Überrascht war er auch von Grace Jones, die den Skandal um die Fotos, die Newton von ihr in Ketten gemacht hatte, gar nicht mitbekommen hatte. „Ich habe selber große, weiße Männer gefesselt“, erzählte sie dem Filmautor.

Sinn für Selbstironie

Newtons Humor hat Gero von Boehm wiederum am meisten gefesselt, das wird im Gespräch mit ihm immer wieder deutlich. „Er konnte aus sich heraustreten, eine Situation von außen betrachten und das Komische erkennen. Dazu besaß er einen ungeheuren Sinn für Selbstironie.“

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Kann man in Zeiten von #Metoo einen solchen Film überhaupt ins Kino bringen? „Unbedingt“, sagt von Boehm. "Die Frauen haben sich sicher bei ihm gefühlt." Er habe starke Frauen verehrt und immer gesagt, wie klein sich Männer dagegen fühlen müssten. Er habe ja gerade nicht die lüsternen Blicke der Männer schärfen wollen, sondern vielmehr mit ihren Ängsten gespielt. Helmut Newton saß gern auf dem Boden mit der Kamera und nahm die Frauen von unten auf, so dass sie leicht bedrohlich wirken.

Helmut Newton liegt auf dem Friedenauer Künstlerfriedhof begraben.
Helmut Newton liegt auf dem Friedenauer Künstlerfriedhof begraben.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kennengelernt haben sich die Männer bei einem Abendessen in Paris gemeinsam mit ihren Ehefrauen Christiane und June. Mit der Australierin, die später unter dem Namen Alice Springs selber Karriere machte als Fotografin, war Newton seit 1948 glücklich verheiratet. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, sei sein Motto gewesen im Hinblick auf Frauen.

Gero von Boehm hat sich gefreut, dass zu dem eigenen Material auch vieles aus dem Archiv der Stiftung kam und sogar Aufnahmen, die Ehefrau June vorher gedreht hatte. Dass Newton nicht frei von Schwächen war, hat von Boehm bei der Recherche auch herausgefunden. Nadja Auermann ließ sich von ihm nur für Modeaufnahmen fotografieren, nicht als Akt. „Darauf hat er sich zwei Jahre lang geweigert, wieder mit ihr zusammen zu arbeiten.“

"Walking Women" lautet der Titel der Fotografien von Helmut Newton aus dem Jahr 1981.
"Walking Women" lautet der Titel der Fotografien von Helmut Newton aus dem Jahr 1981.

© Stephanie Pilick/dpa

Ursprünglich sollte die Premiere beim Tribeca Film Festival in New York sein. Dazu hatte Robert de Niro ihn eingeladen. Nun findet immerhin eine Preview mit geladenen Gästen statt, zu dem es aber auch Karten gibt. Auf dem Kulturforum wird im Rahmen des Open Air Kinos der Film am 8. Juli um 21.45 Uhr zum ersten Mal gezeigt.

Dass man dort mit allen gebotenen Sicherheitsmaßnahmen die Leinwand von Liegestühlen aus betrachten wird, hätte Newton gefreut, glaubt von Boehm. „Die haben ja auch bei seinen Aufnahmen immer eine Rolle gespielt.“

In der "Newton Ausstellung" in der Jebenstraße wird Leben und Werk des Fotografen gezeigt.
In der "Newton Ausstellung" in der Jebenstraße wird Leben und Werk des Fotografen gezeigt.

© Mike Wolff

Dass der Film aus der Zeit gefallen ist, fürchtet von Boehm nicht. „Newton hat ja nie pornografische Bilder gemacht.“ Im Gegenteil, die langen Schlangen mit jungen Menschen, die sich vor der Newton -Stiftung in der Jebenstraße bilden, sind für ihn ein Zeichen, dass die Faszination immer noch da ist. „Obwohl die Zeiten prüder geworden sind.“

In der Hochphase von Newtons Schaffen rund um die sexuelle Revolution war der Umgang mit Nacktheit noch anders. Auch Frauen interessierten sich für die Sammlung, weil er sie so stark gezeigt habe. Mit dem Film hat Gero von Boehm die Erinnerung an einen Mann geweckt, der ihn selber auch geprägt hat. Vor allem seine Weltsicht sei das gewesen. „Er konnte in allem einen positiven Kern entdecken.“ „Helmut Newton – The Bad and the Beautiful“ läuft ab dem 9. Juli in deutschen Kinos.

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