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Trauerarbeit. Regisseur Stefan Weinert an der Mauergedenkstätte.

©  Spiekermann-Klaas

Film über Maueropfer zu DDR-Zeiten: Trauern verboten

Stefan Weinert erzählt in seinem Film „Die Familie“ von vier Menschen, die Opfer der Mauerschützen wurden - und dem Leid der Angehörigen. Am Sonntag ist Premiere.

Stefan Weinert möchte eine Wunde heilen: eine deutsch-deutsche Wunde. In seinem Dokumentarfilm „Die Familie“ erzählt der Regisseur einfühlsam die Geschichten von vier Menschen, die zwischen 1970 und 1986 Opfer der Mauerschützen wurden – aus der Perspektive ihrer Angehörigen. „Die Toten sind tot. Doch die Traumata der Familien leben noch über Generationen weiter“, sagt Weinert. Heute wird sein Film in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz uraufgeführt, anschließend diskutiert das Publikum mit Experten und Zeitzeugen, unter Moderation des Regisseurs.

"Ich hatte keine Ahnung"

Weinert ist ausgebildeter Schauspieler und diplomierter Bühnen- und Filmgestalter. Als er in den neunziger Jahren als Art-Direktor in Barcelona arbeitete, wurde er von spanischen Freunden gefragt: „Wie geht ihr Deutschen mit der Mauer um?“ Darauf wusste er keine Antwort. „Ich hatte als Kölner keine Ahnung von der DDR.“ So begann er, sich mit der deutsch-deutschen Geschichte zu beschäftigen.

Im Film „Die Familie“ spricht Weinert mit den Angehörigen von vier Menschen, die am Todesstreifen ermordet wurden. Drei wurden beim Fluchtversuch getötet – Helmut Kliem dagegen hatte einfach die Schilder übersehen, die das Grenzgebiet markierten. Als er wendete, erschossen ihn die Grenzsoldaten. Einen Monat später erhielt die Familie einen Schuhkarton mit der Asche des Toten.

Angst vor neuen Traumata

„Es gab für die Angehörigen keine Möglichkeit zu trauern, weil sie im Umfeld auf Unglauben stießen und teilweise sogar als Kriminelle gesehen wurden“, erklärt Weinert. Er war sich daher bewusst, wie feinfühlig er mit seinen Interviewpartnern umgehen musste: „Es hat für mich oberste Priorität, den Trauernden die Würde zu lassen.“ Deswegen suchte er Rat bei der Einrichtung „Gegenwind“, die auf die psychosoziale Beratung der Opfer der SED-Diktatur spezialisiert ist. Weinert wollte nicht, dass die Zeitzeugen durch seinen Film „retraumatisiert“ werden.

Bewährungsstrafe für Mauerschützen

Viele Mauerschützen wurden nach der Wende zu Bewährungsstrafen von höchstens zwei Jahren verurteilt. „Die Mauerschützen beriefen sich auf den Befehl von oben. Die Tötung erschien damals als ein verhältnismäßig kleines Unglück gegen das Vergehen, das potenzielle Flüchtlinge am Staat verübt hätten“, sagt Weinert. Die Schützen hätten nach der Tat sogar einen Orden, eine Geldprämie und Sonderurlaub bekommen.

Mit seinen Bildern schuf Weinert ein intimes Porträt der trauernden Familien. „Auch wenn der Film zunächst Wunden aufreißt, kann durch ihn ein Heilungsprozess möglich werden.“

Premiere, heute, 13 Uhr, Volksbühne. Es gibt noch Karten

Jana Scholz

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