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Weniger ist mehr. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat sich über Gier Gedanken gemacht.

© Kai-Uwe Heinrich

Film und Moral: Berliner Filmpreis-Chef Kosslick gegen Gier

Der Berlinale-Chef sinniert über das neunte Gebot und verzichtet auf eine Corbusier-Liege.

Normalerweise kennt man Dieter Kosslick Diven küssend und scherzend vom Roten Teppich. Ernst kann der Berlinale-Chef aber auch: Am Dienstagabend in der Gemäldegalerie, schlichte Stuhlreihen, ein Publikum ohne Starallüren. Gerade haben die Gäste beim Ökumenischen Gottesdienst in der St.-Matthäus-Kirche die Uraufführung einer Kantate von Michael Denhoff zum neunten Gebot gehört. Jetzt soll es weitergehen mit einem Vortrag von Dieter Kosslick zum Thema „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“.

Der Rabbiner Andreas Nachama führt in das Thema ein, und erinnert daran, „dass die Gebote ein gemeinsames Narrativ sind für Juden und Christen“. Gerade angesichts der jüngsten Gewaltstatistik sei es wichtig, gemeinsam für die Zehn Gebote einzustehen. Nach dem Alten Testament hat Gott sie auf Steintafeln Moses übergeben.

Flüchtlinge, Finanzkrise und Aleppo

Kosslick, der vor Jahren schon mal über das fünfte Gebot (Du sollst nicht töten) gesprochen hat, legt gewohnt lustig los, erklärt, warum er lieber über das Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau“ sprechen würde, und wie viele Filme es nicht gäbe, wenn sich alle daran hielten. Dann geht er über zur Bedeutung von „Haus“, zu den Häusern, die den Flüchtlingen weggenommen wurden, den Ruinen von Aleppo, den Slums in Südamerika und einem 27 Millionen Euro teuren Penthouse, das in Tiergarten gerade als Schnäppchen vermarktet wird.

Schließlich kommt er zum Kern des Gebots, der Gier. Da erinnert er an die Finanzkrise mit ihrem „Banküberfall der besonderen Art. Da haben die Banken ihre Kunden und die Steuerzahler überfallen“. Immer wieder Zwischenbeifall. Schließlich erklärt er, warum er wegen der Vorbereitung auf diesen Vortrag eine lang ersehnte Corbusier-Liege, die er gerade kaufen wollte, nun nicht mehr will. Er hat gelesen, unter welchen unmenschlichen Umständen das Leder für diese Liege in Bangladesch präpariert wird.

Beim anschließenden Gespräch mit Andreas Nachama und Pfarrer Christhard-Georg Neubert sind sich die drei einig, das „Du“ in den Geboten solle man zuerst für sich selbst gelten lassen: „Jeder Einzelne muss etwas tun.“ Es brauche aber auch moralische Instanzen, die den Menschen eine Haltung vermitteln. Kosslick wirbt für „ShareTheMeal“, eine App, mit der man nach jedem teuren Essen unkompliziert etwas Geld für Hungernde spenden kann. Andreas Nachama hofft, dass es durch die Übertreibung der Gier bald auch einen Umschwung, eine starke Gegenbewegung, gibt.

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