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Finanznot: Mehr Kontrolle für Jüdische Gemeinde?

Das Land Berlin finanziert die Jüdische Gemeinde zu 85 Prozent, darf aber in die Geschäfte der Religionsgemeinschaft nicht hineinreden. Erst wenn die Gemeinde wirklich zahlungsunfähig ist, kann der Senat einen Zwangsverwalter stellen.

Sinkende Steuereinnahmen, ein strukturelles Defizit von zwei Millionen Euro: Die Jüdische Gemeinde zu Berlin steht vor dem finanziellen Ruin. Der Senat sucht nun zusammen mit der Gemeindeleitung nach einem Ausweg aus der Misere. Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen, fragen sich viele. Hätte das Land Berlin früher eingreifen müssen? Der Etat der Jüdischen Gemeinde beträgt rund 25 Millionen Euro im Jahr. 85 Prozent davon zahlt das Land.

Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, der vergangenes Jahr verärgert aus der Gemeinde austrat, hat immer wieder moniert, die Zuwendungen des Landes an die Gemeinde seien zu hoch und die Kontrolle fehle. Die Zuschüsse seien nicht zu hoch, sagt hingegen Lala Süsskind, die Vorsitzende der Gemeinde, schließlich müsse man neun Synagogen, Schulen, Kita, Pflegeheim und vieles mehr davon bezahlen. Immerhin, nun will man ein professionelles Controlling-System einrichten.

Die Jüdische Gemeinde (11.200 Mitglieder) erhält 2008 einen Landeszuschuss von 9,3 Millionen Euro, die Evangelische Landeskirche (670.000 Mitglieder) 7,7 Millionen Euro, das Erzbistum Berlin (317.000 Mitglieder) 2,9 Millionen Euro. Zusätzlich bekommen die Religionsgemeinschaften Gelder für den Unterhalt ihrer Schulen, Krankenhäuser und Friedhöfe, für den Pensionsfonds und Baumaßnahmen. Die Zuschüsse für die Jüdische Gemeinde sind höher als die für die Kirchen – dies im Bewusstsein, dass die jüdischen Gemeinden durch die Ermordung ihrer Mitglieder in der Nazizeit nach dem Krieg nicht an Vorkriegsvermögen anknüpfen konnten und es ungleich schwerer hatten, Vermögen aufzubauen.

Um zu prüfen, ob die staatlichen Zuschüsse korrekt verwendet werden, lässt der Senat sich jährlich Rechnungen und den Wirtschaftsplan der Gemeinde vorlegen. So sieht es der Staatsvertrag vor, den das Land 1994 mit der Gemeinde geschlossen hat. Der Staat dürfe sich aber nicht in die internen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften einmischen, sagt Maria Bering, die Beauftragte des Senats für Religionsgemeinschaften. Erst wenn die Gemeinde wirklich zahlungsunfähig ist, kann der Senat einen Zwangsverwalter stellen.

Auch als das Berliner Erzbistum Ende 2002 vor dem finanziellen Ruin stand, griff das Land nicht ein, konnte und durfte es auch gar nicht. Einige Bundesländer, zum Beispiel Hamburg, haben mittlerweile im Staatsvertrag mit ihren jüdischen Gemeinden geregelt, dass der Rechnungshof über die Bilanzen schauen kann. Dies empfiehlt auch der Zentralrat der Juden in Deutschland – schon um die Gemeinden vor Missbrauchsvorwürfen zu schützen. (clk)

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