zum Hauptinhalt

Berlin: Finanzsenator: Hauptschulen sind gut ausgestattet

Der Senat demonstriert Gelassenheit. Die SPD diskutiert heute auf einem Parteitag. Die Gesamtschule soll es richten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Angesichts der Gewaltprobleme an der Neuköllner Rütli-Schule hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die „Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Hauptschule“ gestellt. Man müsse grundsätzlich darüber diskutieren, ob eine kombinierte Haupt- und Realschule oder auch die Gesamtschule die Probleme besser lösen könnte. Unabhängig davon forderte Wowereit, den Schulen an sozialen Brennpunkten „jedwede nur mögliche Hilfestellung zu geben“. An diese Schulen müssten gut ausgebildete und motivierte neue Lehrer kommen. „Einsätze der Polizei sind höchstens punktuell von Nutzen.“

Der Zufall wollte es, dass Wowereit gestern früh an der Rudolf-Virchow-Oberschule in Marzahn-Hellersdorf mit Schülern diskutierte – auch über die Eskalation der Gewalt in Neukölln. Der Regierende besucht regelmäßig Schulen, um sich mit den Kindern und Jugendlichen auszutauschen. In der Regel ohne journalistische Begleitung. Am Donnerstag, als die öffentliche Debatte um die Rütli-Schule entbrannte, hatte Wowereit noch dem Bildungssenator Klaus Böger (SPD) den Vortritt gelassen, um fachlich Stellung zu nehmen und den Kopf hinzuhalten. Aber Böger war gestern, nach einem zweiten Besuch an der Neuköllner Hauptschule, schon nicht mehr so deprimiert wie am Vortag.

Die Vorkommnisse hätten den Schulsenator, der das Amt seit über sechs Jahren ausübt, zwar getroffen, aber nicht ernsthaft politisch beschädigt, hieß es gestern in SPD-Führungskreisen. Der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller will dem angeschlagenen Parteifreund heute auf dem SPD-Landesparteitag ausdrücklich den Rücken stärken. Auch Wowereit wird im Congress Center am Alexanderplatz zum schwierigen Thema reden. Die starke Parteilinke kündigte gestern an, auf dem Parteitag durchaus „die Auseinandersetzung mit Böger“ zu suchen. Um die „gemeinsame Schule für alle“ zu befördern, sagte der Sprecher der SPD-Linken, Mark Rackles. Die Probleme der Hauptschulen seien nicht neu, deshalb mache es auch keinen Sinn, wegen der Eskalation in der Rütli-Schule jetzt „in Aktionismus“ zu verfallen.

Aber es zeige sich, so Rackles, „dass für eine solche Schüler-Klientel Gesamtschulen besser sind“. Gemeinsames Lernen statt Ausgrenzung und eine bessere Ausstattung seien nötig. Das ist auch der Tenor des SPD-Leitantrages für den Parteitag zur „Sozialen Stadt“. Mehr Ganztagsschulen in sozialen Brennpunkten, der Einsatz von „Fachkräften mit Migrationshintergrund“, kleinere Klassen, zusätzliche Sachmittel, eine „umfassende Sprachförderung“ werden darin gefordert.

Mehr Personal ist weniger das Thema. Da fühlt sich der Finanzsenator Thilo Sarrazin ohnehin unschuldig. In Berlin betreut ein Lehrer neun Hauptschüler. Im Bundesdurchschnitt kommen 14 Hauptschüler auf eine Lehrkraft. „Man kann alle möglichen Schlüsse aus der Situation an der Rütli-Schule ziehen, aber es liegt nicht an der finanziellen Ausstattung“, sagte Sarrazin gestern. Er verweist in diesem Zusammenhang auf eine Statistik der Bildungsverwaltung, nach der an der Rütli-Schule ein Lehrer nur 7,3 Schüler zu betreuen hat. Hier gehe es um die Bewältigung gesellschaftspolitischer Probleme. Nach Meinung des Finanzsenators „muss die deutsche Mehrheitsgesellschaft ihre Integrationserwartungen eindeutiger formulieren“. Außerdem sieht der Finanzsenator „einwanderungspolitische Probleme“.

Der Regierende Bürgermeister Wowereit benannte gestern, wenn auch durch die Blume, noch einen anderen Mangel: Die Schulaufsicht müsse „verstärkt ihre Beratungsfunktion wahrnehmen“. Intern hat Böger schon öfter eingestanden, dass die Berliner Schulbehörde – auf Landes- und bezirklicher Ebene – sich als kaum reformierbar erweist. Sie hat den Ruf, intransparent, unflexibel, parteipolitisch durchsetzt und manchmal auch inkompetent zu sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false