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Berlin: Firmen sahen das Desaster lange kommen

Bauanwalt kritisiert Informationspolitik.

Chaos gab es schon länger auf der Baustelle für den Hauptstadtflughafen in Schönefeld. „In allen Bereichen herrschte bei den Firmen das Bild vor, dass der Zeitplan zu eng ist und der Termin nicht gehalten werden konnte“, sagt Ralf Leinemann (50), renommierterFachanwalt für Bau- und Architektenrecht. „Mir war von vornherein klar, dass der Termin im Juni nicht realisierbar ist. Der Termin- und Kostenrahmen war von Anfang an ein Märchen.“ Der Jurist kennt sich aus, seine Sozietät vertritt einige Unternehmen auf der BER-Baustelle, auch beim Bau des Berliner Hauptbahnhofs und anderen Großprojekten in Berlin war Leinemann für Mandanten tätig.

Symptomatisch für die Lage beim BER sind dem Tagesspiegel vorliegende Verträge mit den Baufirmen. Diese enthalten eine Klausel, wonach den Unternehmen „die Koordinierung und Abstimmung mit Behörden“ obliegt. Zudem sollen sie den Ablauf der Baumaßnahmen untereinander selbst regeln. Leinemann spricht von einer Angstklausel. „Das ist typisch für Bauherren, die Angst haben, die Firmen könnten sich gegenseitig behindern. Wenn man ahnt, dass es Probleme geben wird, weil zu viele Firmen gleichzeitig aktiv sind.“ Baurechtlich sei derlei „wahrscheinlich“ unwirksam, sagt Leinemann. „Die Koordinierung ist und bleibt Bauherrensache.“

Schon früh sei klar gewesen, dass der BER frühestens Ende 2012 fertig werde, sagt Leinemann. Er hatte den Essener Baukonzern Hochtief vertreten, der das Terminal bauen wollte. Die Flughafengesellschaft lehnte ab, weil das Konsortium mehr als eine Milliarde – statt der veranschlagten 630 Millionen – forderte. Im November 2007 wurde die Ausschreibung aufgehoben, das Projekt in Gewerbe aufgeteilt und 2008 neu ausgeschrieben. „Damals hat man 12 Monate verloren, dennoch wurde am alten Termin im November 2011 festgehalten.“ Jener Termin wurde im Sommer 2010 auf Juni 2012 verschoben – was zu kurz bemessen war. „Jeder Plan, jede Genehmigung, jede Freigabe muss rechtzeitig vorliegen, das hat der BER nicht hinbekommen, konnte nicht liefern“, sagt Leinemann. Zwar habe die Flughafengesellschaft versucht, „in die Beschleunigung zu investieren. Aber irgendwann war kein Platz mehr auf der Baustelle“.

Jetzt steht fest, dass das Terminal teurer als 1,22 Milliarden Euro ist. Laut Leinemann wurde „nicht sauber gerechnet“. Verantwortlich seien Aufsichtsrat und Geschäftsführung, die von „grotesk falschen Zahlen“ ausgegangen seien. Vergleichszahlen vom Münchner Lufthansa-Terminal und die Kalkulation von 2007 hätten zum Umdenken führen müssen. Blamabel seien jetzt nicht Bauzeit und Kosten, sondern, „dass jahrelang etwas anderes behauptet wurde“. Für Leinemann ist der abberufene Chefplaner Manfred Körtgen ein Bauernopfer. Der Aufsichtsrat hätte Bescheid wissen müssen, allein durch Protokolle der Bauüberwachung und Controlling-Berichte.Alexander Fröhlich

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