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Joggen. Wer sportlich ist, bleibt länger mobil und setzt sich mehr Eindrücken aus.

© picture alliance / dpa

Fit im Alter: Das Bein bestimmt das Bewusstsein

Wie kann man dafür sorgen, dass das Gehirn auch im Alter lange jung bleibt? Wichtig sind vor allem soziale Kontakte. Wir geben einige alltagspraktische Tipps.

Wer seinen Ruhestand genießen und den Lebensabend möglichst lange selbstbestimmt gestalten will, braucht nicht nur einen fitten Körper, sondern auch den Geist dazu. Doch das Gehirn ist ein „Verschleißteil“. Es schleichen sich Funktionsstörungen ein wie Altersvergesslichkeit oder Demenz. „Man kann das Hirn aber dabei unterstützen, möglichst lange gesund zu bleiben“, sagt Elisabeth Wenger, Neurowissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Dies gilt laut Timo Pauli, Leiter des Demenzzentrums am Vivantes-Klinikum Spandau, auch bei Demenz: „Sie lässt sich nicht ausschließen. Aber das Risiko lässt sich senken.“

Was dem Körper guttut, hilft auch dem Geist: gesunde und ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Nikotin, maßvoller Alkoholkonsum und körperliche Aktivität an frischer Luft. „Studien haben gezeigt, dass das Volumen des Hirns bei regelmäßigem Sport in einigen Regionen zunehmen und sich die Funktionsfähigkeit verbessern kann“, so Elisabeth Wenger. Ein Grund dafür sei möglicherweise, dass das Organ besser durchblutet und besser mit Sauerstoff versorgt würde. Körperliche Aktivität hilft auch, Stress abzubauen und Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden vorzubeugen, die das Hirn langfristig schädigen können. Wer einen sportlichen Lebensstil pflegt, hält seinen Körper widerstandsfähiger, geschmeidiger – und wird dadurch häufig erst später gebrechlich, bleibt also länger mobil. Er setzt seinen Kopf unterschiedlichen Eindrücken aus und hält ihn damit länger auf Trab. Aber keine Sorge: Um das zu erreichen, müssen Sie nicht zum Leistungssportler oder Marathonläufer werden. „Am besten sind Aktivitäten, bei denen man leicht aus der Puste kommt“, sagt Wenger. Dazu zählen Joggen, Radfahren, Wandern oder zügiges Spazierengehen. Alles ist besser, als alleine zu Hause auf dem Sofa zu liegen. Empfehlenswert sind auch Sportarten, die die Koordination fördern, etwa Tanzen. Der Kontakt mit dem Tanzpartner bedeutet außerdem eine für’s Gehirn sehr wichtige soziale Interaktion.

Im Ruhestand werden aus jungen Alten plötzlich alte Alte

„Das Gehirn muss trainiert werden“, sagt Pauli. „Sonst baut es ab.“ Eine „antrainierte“ kognitive Reserve wirke demenziellen Abbauprozessen entgegen – und kann sie so möglicherweise verlangsamen. Auch allgemein tut Denken gut, während geistige Trägheit eher schadet. Das lässt sich oft im Ruhestand beobachten: Aus „jungen Alten“ werden plötzlich „alte Alte“, die aufgrund anhaltender geistiger Unterforderung abbauen. Dagegen kann man mit neuen Herausforderungen angehen, etwa einem Hobby wie Fotografieren oder Gitarrespielen. „Eine Sprache zu lernen ist ebenfalls eine sehr gute Möglichkeit, das Gehirn zu trainieren“, sagt Wenger. Und Reisen: „Sich in einer fremden Stadt möglichst ohne technische Hilfsmittel zurechtzufinden, stärkt die räumliche Orientierung. Dadurch wird der Hippocampus ,getriezt’, also die Hirnregion, die auch für’s Gedächtnis wichtig ist.“

All das sollte jedoch nicht in Stress ausarten . Denn der kann geistige Gesundheit negativ beeinflussen. „Im Vordergrund sollte Spaß stehen“, sagt Timo Pauli. Sonst wäre es auch schwer durchzuhalten. Genau diesen Spaß versprechen kommerzielle Anbieter von „Gehirnjogging“- Computerspielen. Einige behaupten, sie würden die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit steigern und sogar Demenz vorbeugen. Das ist aber vor allem Werbung, wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte es bisher nicht. „Natürlich verbessert sich die Leistung der Spieler, aber vorrangig das Spiel selbst betreffend“, sagt Elisabeth Wenger. Wer viel übe, werde darin besser. „Bisher konnte jedoch nicht gezeigt werden, dass auch allgemein geistige Fähigkeiten gefördert würden.“

Mit dem Beruf lassen viele Ältere auch wertvolle soziale Kontakte hinter sich

Wer viel alleine zu Hause sitzt, dem fehlt Interaktion mit anderen, was eine geistige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordert. „Viele Menschen fallen rund ein Jahr nach Renteneintritt in ein schwarzes Loch“, sagt Wenger. Mit der Berufstätigkeit haben sie auch die Kollegen hinter sich gelassen – und damit wertvolle tägliche soziale Kontakte. Zum Ausgleich hilft eine Freizeitgruppe: ein Chor, eine Sportgruppe oder ein Schachklub.

Auch das beste Hirntraining kann eine Demenz nicht wirksam ausschließen. Sie beginnt meist schon lange vor den ersten Symptomen. „Krankhafte Veränderungen im Gehirn – die Plaques – können sich bis zu 20 Jahre vor dem eigentlichen Ausbruch der Krankheit bilden“, sagt Pauli. Um dann noch gegensteuern zu können, sei ein früher Behandlungsbeginn sehr wichtig. „Wer bei sich selbst oder bei Angehörigen Gedächtnisschwierigkeiten und Probleme mit Orientierung und Bewältigung des Alltags feststellt, sollte diese abklären lassen.“ Ärzte können eine Demenz unter anderem anhand von Gedächtnistests und bildgebenden Verfahren wie einer Computertomografie diagnostizieren. „Dabei gilt es, auch andere mögliche Ursachen wie beispielsweise einen Gehirntumor auszuschließen“, sagt Pauli. Eine beginnende Demenz kann dann teilweise mit Medikamenten behandelt werden, auf jeden Fall aber mit weiterem Gehirntraining.

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