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Berlin: Fleißarbeit am sozialistischen Menschenbild

Die DDR glänzt wieder am Alexanderplatz: Das Wandmosaik kehrt zurück an das Haus des Lehrers. Auch die Kongresshalle ist so gut wie fertig

Am Haus des Lehrers fallen die Hüllen. Der Blick auf die oberen Etagen ist schon frei. Weiter unten, wo die Bauplanen noch hängen, bekommt der Zwölfgeschosser zurzeit seine berühmte Bauchbinde zurück: Das Mosaik des Künstlers Walter Womacka, das auf sieben mal 125 Metern das blühende sozialistische Leben zeigt, wurde im Harzstädtchen Quedlinburg bei Bleiglasermeister Frank Schneemelcher erneuert. Inzwischen hängen etwa zwei Drittel der 800 000 Teile wieder an der Fassade; nur die Südwestfassade zur Alexanderstraße hin ist noch kahl.

Schneemelcher ist genau so alt wie das Mosaik: 40 Jahre. Die Herausforderungen für ihn begannen schon bei der Demontage: „Teilweise hing eher die Wand am Fries als der Fries an der Wand.“ Das Puzzle aus 800 000 höchst unterschiedlich geformten Teilen, angenagt von Stadtluft und Sonnenlicht, befestigt mit bröselndem Mörtel, musste schonend abgelöst, transportiert, aufgearbeitet und wieder korrekt zusammengesetzt werden. Also haben die Handwerker die Oberfläche in sorgfältig beschriftete Planquadrate gegliedert und für den Transport mit reißfestem Papier beklebt. Anhand kleinster Unebenheiten ließen sich die Fugen zwischen den einst nach unergründlichen Prinzipien geformten Segmenten ertasten. So blieb zusammen, was zusammengehört.

Sofern es überhaupt noch vorhanden war. Seit Jahren ging der Hausmeister täglich mit dem Besen ums Haus, um herausgefallene Glasstücke zusammenzukehren und in einer Kiste zu sammeln. Einige Teile wurden wieder ins Puzzle gesetzt, andere neu gefertigt. „Gerade von den Emaille-Teilen sind uns viele unter den Händen zerbröselt. Aber wir haben alle Farben auftreiben können, die wir brauchten“, sagt Schneemelcher. Jetzt kommen sie also zurück: Der Chemiker, der einen mit roter Flüssigkeit gefüllten Kolben wie eine Weinprobe betrachtet. Der Junge am Fernrohr, das Mädchen am Mikroskop, der Lehrer am Globus, die tanzende Kinderschar zwischen Luftballons und Friedenstauben. „Unser Leben“, heißen sie alle zusammen. Rosige Zukunft, Baujahr 1962 bis 1964. Walter Womacka, der Schöpfer, freut sich, dass sein Werk nun für die nächsten 40 Jahre präpariert wurde. „Sicher würde ich heute manches anders machen. Aber bei allen Mängeln stehe ich hinter der Arbeit“, sagt der 77-jährige Künstler. Womacka erinnert sich, dass die Herstellung des Mosaiks zwischen 200 und 300 Mark je Quadratmeter gekostet hat. Die Sanierung war mit insgesamt 800 000 Euro deutlich teurer.

Während die Fassade zum Jahreswechsel fertig sein dürfte, wird im Inneren des Hauses noch bis April weiter gebaut: Hier werden die Räume völlig neu aufgeteilt, denn der Kapitalismus duldet keine engen Büros neben breiten Fluren oder Toilettenfenster mit Panoramablick über den Alex. Also gibt es jetzt größere Büros mit schönerem Blick, von denen ab Mitte 2004 die Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft Mitte profitieren werden: Das Unternehmen verlegt seine Zentrale an den Alex – und damit ist das Haus auch schon voll.

Die Kongresshalle nebenan ist schon jetzt so gut wie fertig. Als Erste werden die Augenärzte den rundum sanierten Kuppelbau von innen sehen: Mit ihrer Jahrestagung ab 25. September weihen sie die Halle ein, die künftig „Berliner Congress Center“ (bcc) heißt. Der Name ist neu, aber das Inventar erinnert trotz vieler Umbauten an die Eröffnung im Jahr 1964. „Die vielen architektonischen Details, in die damals wahnsinnig viel Geist investiert wurde, sind erhalten worden“, heißt es bei der Betreibergesellschaft. Gemeint sind beispielsweise die formschönen Türklinken oder die scheinbar schwebende Wendeltreppe im Foyer.

Zusammen reichlich 25 Millionen Euro kostet die Sanierung von Kongresshalle und Haus des Lehrers. Dafür erstrahlt der Sozialismus am Alexanderplatz bald schöner als je zuvor.

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