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Pro Reli. 2009 wurde um ein Wahlpflichtfach Religion gekämpft. Foto: pa/dpa

© picture-alliance/ dpa

Berlin: Fliegen, Rauchen, Religion

Schon mehrfach gab es in Berlin Volksbegehren und Volksentscheide. Viele sind, so wie der Energietisch, gescheitert – erfolgreich hingegen war bisher nur eine Initiative.

Sie kämpften gegen die Rechtschreibreform und für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof, für die Wahlfreiheit von Gastwirten beim Rauchverbot und für bessere Betreuung an Grundschulhorten. Immer wieder haben engagierte Berliner versucht, mit einem Volksbegehren politisch Einfluss zu nehmen. Vier davon haben es bislang zum Volksentscheid geschafft, dessen Entscheidung bindend ist, falls eine Mehrheit mit Ja stimmt und die Abstimmungsbeteiligung hoch genug ist – das war jedoch bisher nur einmal der Fall. So richtig an Schwung hat die direkte Demokratie in Berlin erst in den vergangenen fünf Jahren gewonnen, seitdem das reformierte Abstimmungsgesetz und die Landesverfassung die Volksgesetzgebung erleichterten. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten bisherigen Volksbegehren.

2008: FLUGHAFEN TEMPELHOF

Die Schließung des Innenstadtflughafens polarisierte die Berliner und provozierte eine teilweise sehr emotional ausgefochtene öffentliche Debatte. Unter dem Titel „Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen!“ startete die „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof e.V.“ im November 2006 eine erfolgreiche Initiative zur Einleitung des Volksbegehrens. Der Senat wurde aufgefordert, „sofort die Schließungsabsichten aufzugeben“. Aber auch im Erfolgsfall wäre der Volksentscheid für den Senat nicht bindend gewesen. Die damals in der Opposition sitzende CDU und die FDP unterstützten das Vorhaben, SPD, Linke und Bündnis 90/Grüne waren dagegen. Es kamen 204 907 Unterschriften für ein Volksbegehren zusammen – genügend für einen Volksentscheid. Der aber scheiterte – genau wie der Energie-Volksentscheid – am Quorum: Zwar waren 60,1 Prozent der Abstimmenden für die Offenhaltung Tempelhofs. Aber nur 21,7 Prozent der Abstimmungsberechtigten stimmten mit „Ja“.

2009: WAHLPFLICHTFACH RELIGION

Die Auseinandersetzung verlief in einer ähnlich aufgeheizten Stimmung wie das Tempelhof-Volksbegehren. Die Einführung des Pflichtfachs Ethik in den siebten Klassen provozierte Widerspruch der Kirchen und anderer Interessenvertreter. Sie warben dafür, Religion als gleichberechtigte Wahlalternative zu erlauben. Doch beim Volksentscheid im April 2009 scheiterte „Pro Reli“: Eine Mehrheit von 51,3 Prozent stimmte gegen den Vorschlag. Die Beteiligung lag bei 29,2 Prozent.

2009: RAUCHVERBOT

Mit prominenter Unterstützung sammelte die „Initiative für Genuss Berlin“ 23 252 Stimmen für die Zulassung ihres Volksbegehrens. Der Senat sollte Gaststätten vom Rauchverbot ausnehmen und Wirten Wahlfreiheit lassen. Bei der Abstimmung reichten die Ja-Stimmen aber nicht aus. Sieben Prozent der Stimmberechtigten hätten zustimmen müssen – es waren nur 2,5 Prozent.

2010/11: WASSERBETRIEBE

Der einzige bislang erfolgreiche Volksentscheid Berlins fand unter dem Titel „Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ statt. Getragen von der Initiative „Berliner Wassertisch“ war das Ziel, alle Verträge im Bereich der Wasserwirtschaft veröffentlichungspflichtig zu machen. Dagegen sperrte sich der rot-rote Senat. Trotz erfolgreicher Unterschriftensammlung zur Beantragung des Volksbegehrens war er der Meinung, dass das Begehren rechtlich unzulässig sei. Das Landesverfassungsgericht erklärte das Volksbegehren jedoch für zulässig. Bei der Abstimmung sprachen sich 98,2 Prozent der Teilnehmer für eine Offenlegung der Verträge aus, insgesamt stimmten 27 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja. Damit wurde das Zustimmungsquorum erstmals erreicht.

2011: GRUNDSCHULHORTE

Der Landeselternausschuss Kita machte sich dafür stark, das Betreuungsangebot an Schulhorten zu verbessern. Statt der erforderlichen 172 000 Unterschriften für ein Volksbegehren kamen aber nur 32 000 Unterschriften zusammen.

2011: MASTERSTUDIUM

Ziel war ein zulassungsfreier Masterplatz für alle Berliner Bachelor-Absolventen. Der Versuch scheiterte jedoch schon in der ersten Phase: In zwei Anläufen konnten die Initiatoren nicht genug Stimmen sammeln, am Ende kamen nur etwa zehn Prozent der 20 000 Unterschriften zusammen, die für die Einleitung eines Volksbegehrens nötig gewesen wären.

2011/13: PRIVATISIERUNG DER S-BAHN

Die Initiative „Rettet die S-Bahn Berlin“ scheiterte an rechtlichen Bedenken. Ziel war unter anderem, bestehende und künftige Verträge zwischen dem Land Berlin und den S-Bahn-Betreibern zu veröffentlichen, auch wurde die Ausweitung gesetzlicher Standards für den S-Bahn-Betrieb gefordert. Der Senat erklärte die Initiative jedoch für unzulässig, zum Beispiel, weil sie in bestehende Verträge eingegriffen hätte – und bekam vor Gericht recht.

2012: BER-NACHTFLUGVERBOT

Nachtflüge am BER sollen zwischen 22 und 6 Uhr nur in Ausnahmefällen zulässig sein, so lautete das Ziel. Es kamen nur 139 000 Unterschriften für ein Volksbegehren zusammen – rund 173 000 wären aber nötig gewesen.

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