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Berlin: Flimmern auf dem Campingplatz

Noch ein Freiluftkino in der Stadt? In diesem miesen Sommer? Die Macher in der Kastanienallee müssen verrückt sein oder – Filmregisseure

Kein Geld, kein Geld, das Geplärre kann doch keiner mehr hören. Wer fragt nach schnöder Kohle, wenn er Ideen und Leidenschaft hat? Berlins No-Budget-Filmer jedenfalls nicht. Einer von ihnen – Patrick Banush – hat etwas aufgemacht, was die Stadt in diesem miesen Sommer eigentlich gar nicht braucht. Ein weiteres Freiluftkino nämlich.

Und weil sich dieses gleich neben der aus alten DDR-Campingwagen bestehenden Freiluftbar „Trailer Lounge“ in der Kastanienallee befindet, hört die Spielstätte auf einer zur Bebauung vorgesehenen Brache auf den schönen Namen – Campingplatzkino.

Gecampt wird dort aber nicht, nur geguckt. Nicht auf eine teure Leinwand, sondern auf eine selbst getünchte Projektionsfläche, die Banush und seine Kollegen gerade „in frischem Eierschalengrau“ auf die benachbarte Brandmauer gepinselt haben. Improvisiert und kostengünstig halt, wie sich das für No-Budget-Filmer gehört. Die drängeln sich in Berlin geradezu, sagt Patrick Banush, „weil man sich hier nicht schämen muss, kein Geld zu haben.“ Und weil sie ihre Filme in Programmkinos oder auf Nachwuchsfestivals wie „Achtung Berlin“ zeigen können.

Das Programm im Campingkino, das bei freiem Eintritt an sechs Sonnabenden und einem Sonntag läuft, ist konsequent. „110 Prozent Selbstvermarktung“, sagt Patrick Banush und „nur verrückte kleine Berlinfilme“. Der gebürtige Münchener ist 39 Jahre alt, vor zwei Jahren hergezogen, preisgekrönter Film- und Radiofeatureregisseur und hatte zuletzt mit „Die Liebe und Viktor“ Erfolg. 40 Wochen hielt sich die putzige Prenzlauer-Berg-Komödie mit Samuel Finzi und Rolf Zacher in kleinen Berliner Kinos. Mit 10 000 Euro Produktionsbudget spielt er in der Luxusliga der städtischen Indie-Filmer.

Kollege Axel Ranisch, dessen Film „Dicke Mädchen“ demnächst bei den Filmtagen in Hof Premiere feiert und im Campingkino deswegen nur in einer Sonder-Teamvorführung laufen darf, hat für sein Werk gerade mal 500 Euro ausgegeben. „Dicke Mädchen“ passe super hierher, strahlt Axel Ranisch und mustert die struppige Stadtbrache. „Weil der Film so dreckig ist“. Selbst gedreht mit kleiner Videokamera zu Hause in Lichtenberg. Ohne Licht, ohne richtiges Team, „nur ich, ein Freund und meine Omma“. Omma ist 89 und offenbar Kummer gewohnt. Für den Film ihres 29 Jahren alten Enkels, der demnächst die Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam abschließt und als Schauspieler in großen Kinoproduktionen spielt, hat sie ihre Wohnung als Drehort zur Verfügung gestellt und sich in die Rolle einer Demenzkranken eingefühlt.

Kein Geld für einen Film zu haben, sei aber nicht per se ein Qualitätsmerkmal, finden die beiden Regisseure glücklicherweise, auch wenn es – mangels großem Produktionsapparat – künstlerisch freier mache. „Es sind einfach super Schauspielerfilme“, sagt Patrick Banush. Das gelte auch für „Stiller Frühling“ von Nico Sommer, „Papa Gold“ von Tom Lass oder „Schwarze Schafe“ von Oliver Rihs, die allesamt im Campingkino laufen. Einen eigenen Namen hat das Genre auch schon: Berliner Sonderschule. Klingt ulkig, aber steht wofür? Kein deutsches Betroffenheitskino, sondern preiswerte, schräge, gerne auch kritische Filme machen, sagt Axel Ranisch. Und Patrick Banush definiert geschliffen: „Es muss um was gehen und man soll lachen können.“

Letzteres hilft im Campingkino sicher auch gegen heimtückisches Sommerwetter. Das wird schon, sind Banush und Ranisch sicher. Freiluftkino und No-Budget-Filmerei ist eben nix für Luschen.Gunda Bartels

Campingplatzkino, Kastanienallee 64, Mitte, 20. August bis 24. September, immer sonnabends um 21.30 Uhr, am 11. September auch sonntags 21.30 Uhr

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