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Berlin: Flower Power für die Deutsche Einheit

Am 3. Oktober singt Scott McKenzie im Schauspielhaus seinen Welthit „San Francisco“

Ein Mann, ein Lied. Scott McKenzie, 64, wirft sich auf ein Sofa im Hotel Adlon und betrachtet seinen Latte Macchiato. „Was soll das denn sein“, fragt er und setzt sich auf. „Sind da Drogen drin?“ Ein Lachen erschüttert seinen Bauch, die breiten Schultern. McKenzie findet alles zum Lachen, auch sich selbst. Nur eins nicht. Das ist sein Lied „San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair)“. Das nimmt er ernst wie sonst nichts auf der Welt. Am Tag der Deutschen Einheit wird McKenzie auf der Verleihung der „Quadriga“ singen, vor Leuten wie Armin Mueller-Stahl oder Norman Foster. Sie sind für diesen Preis für gesellschaftliches Engagement nominiert, der erstmals von der „Werkstatt Deutschland“ verliehen wird. Und sie werden gerührt sein. Das ist Scott McKenzie, das Leittier der Hippie-Bewegung, gewohnt. Immer und überall sind sie gerührt, wenn er „San Francisco“ anstimmt: ehemalige politische Gefangene in Brasilien, Vietnam-Veteranen, frühere DDR-Bürger. Wie kommt einer damit klar, ständig von Wildfremden umarmt zu werden? Weil er 1967 etwas produziert hat, das größer wurde als er selbst?

Scott McKenzie hat den Rückzug angetreten von der Welt. Er lebt mit seiner Katze Spider in einem Haus in den Hollywood Hills in Los Angeles. Gerne schaltet er den Computer an und betrachtet die virtuelle Welt. Dieses Vom-Hundertsten-ins-Tausendste-Kommen mag er, weil er sich wegen einer Krankheit schlecht konzentrieren kann. Was er sich ansieht, hat er beim nächsten Link wieder vergessen. McKenzie beantwortet auch keine Zwischenfragen. Die Krankheit heißt Epstein-Barr-Syndrom und macht chronisch müde.

Nicht müde aber wird er, die Geschichte zu erzählen, wie er vor 37 Jahren in L.A. mit seinem inzwischen verstorbenen Kumpel John Phillips von „The Mamas and the Papas“ „San Francisco“ aufnahm: „Ich hatte wirklich Blumen im Haar. Können Sie sich das vorstellen?“ McKenzie deutet auf sein graues Haar, das im Nacken zu einem schmalen Zopf zusammengebunden ist. „Um mich herum saßen Leute und meditierten.“ Dass „San Francisco“ sein einziger Hit bleiben sollte, konnte er damals nicht ahnen. Er und Phillips wollten die Leute doch nur zum großen Festival nach Monterey locken. Sie kamen aus ganz Amerika zum „Summer of Love“; das Lied verkaufte sich Schätzungen zufolge rund sieben Millionen Mal und muss McKenzie steinreich gemacht haben. Aber Mitte der 70er Jahre kamen die Drogen und die Depressionen. Davon hat sich McKenzie lange nicht erholt.

Die meisten Stars, die in die Stadt kommen, sagen: „I love Berlin.“ McKenzie nicht. Er will sich nichts ansehen, nur ein bisschen durch den Tiergarten spazieren, am Freitag in Ruhe sein Lied singen und alle Funktionen der Adlon-Duschbrause ausprobieren. Hinter dem etwas kruden Humor – der Sänger behauptet dauernd, er sei ein Spion und wolle alles dafür tun, die Mauer wieder zu errichten – verbirgt sich ein im besten Sinne sentimentaler Mensch. An seinen letzten Konzertbesuch kann er sich nicht mehr erinnern. So sehr liebt er Livemusik, dass er irgendwann beschloss, nicht mehr hinzugehen. „Ich konnte die Magie der Musik nicht mehr ertragen“, sagt er. „Schon als neulich ein Konzert von Paul McCartney aus Moskau übertragen wurde, habe ich Rotz und Wasser geheult. Das war Flower Power.“

Einst gehörte er zur Protestgeneration. Heute würde McKenzie höchstens noch gegen Protestsongs protestieren. Es sei viel einfacher, gegen etwas zu demonstrieren, als für etwas. Nur, niemand wisse so recht, für was es sich lohne, auf die Straße zu gehen und Transparente zu tragen. Das habe er über all die Jahre gelernt.

Esther Kogelboom

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