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Es ist kalt und feucht, doch die Flüchtlinge bleiben trotzdem lieber am Oranienplatz.

© dpa

Flüchtlinge am Oranienplatz in Berlin: Lieber Zelt statt Bett

Es ist feucht und kalt, es riecht nach nassem Stoff und ungewaschener Kleidung - trotzdem bleiben die Flüchtlinge lieber am Oranienplatz, als in das Haus der Caritas im Wedding zu ziehen. Und jeder von ihnen hat seine Gründe dafür.

Kurz nach 22 Uhr stehen acht Flüchtlinge und ein paar Deutsche mit Bierflaschen um ein Feuer in der Mitte des Kreuzberger Oranienplatzes. Manche unterhalten sich auf Englisch, manche auf Französisch. Als einer versucht, eine Bierflasche – erfolglos – auf dem Kopf zu balancieren, lachen alle laut. Neben ihnen liegt ein Berg in Stücke gehackter alter Möbel und Paletten, durchtränkt vom Regen, immer wieder wirft einer der Umstehenden ein Stück ins Feuer. Vom nassen Holz steigt ein beißender Rauch auf, den alle ignorieren.

Im Infozelt, gleich am Eingang des Platzes, geht es etwas ruhiger zu. Dort erzählt Napuli Langa, Asylbewerberin aus dem Sudan, drei jungen Männern von einer Veranstaltung über Flüchtlingsfrauen, auf der sie gerade einen Vortrag gehalten hat.„Wenn ich in Berlin bin, schlafe ich immer hier“, erklärt sie auf Nachfrage. „Aber manchmal bin ich wegen Veranstaltungen unterwegs, nächste Woche zum Beispiel fahre ich nach Göttingen.“

Langa erklärt, dass sie nie in ein Haus ziehen wollte. „Wenn ich in dem Haus im Wedding leben würde, wäre das für mich wie das Leben im Flüchtlingsheim.“ In das Haus der Caritas waren etwa 80 Flüchtige vom Oranienplatz eingezogen. „Ich kämpfe hier nicht für humanitäre Hilfe, sondern für meine Rechte, ich will selbst entscheiden, wo ich lebe und für mich selbst sorgen“, sagt Langa.

Dann geht sie zu einem großen grauen Zelt auf der linken Seite des Platzes. „Dieses Zelt trägt meinen Namen, von Anfang an schlafe ich hier.“ Das Licht funktioniert gerade nicht, aber sie zieht zielstrebig zwei große Plastiktaschen aus dem Dunkel. „Das sind meine Sachen“, sagt die Frau und macht eine ausladende Handbewegung in den Raum. „Das ist mein Zuhause.“

Zurück bleiben am Feuer fünf Flüchtlinge mit ihren Bierflaschen

In anderen Zelten brennt das Licht, Stimmen sind zu hören. Zwischen Feuer und Infozelt steht zum Beispiel das kleine Zelt von Ousmane, einem 28-Jährigen aus Mali, in dem man nur gebückt stehen kann. Eine Lämpchen taucht den Raum in schwaches Licht. Es riecht nach nassem Stoff und ungewaschener Kleidung. Auf dem Boden aus Paletten liegt ein dicker Teppich, in der einen Ecke liegt eine dicke Matratze, daneben steht ein kleines Sofa

Ousmane sagt, er lebe seit April am Oranienplatz, davor habe er ein Jahr in Italien gelebt, davor sechs Jahre in Libyen. Auch er erklärt, er wolle nicht in das Haus in Wedding. „Ich will hier am Oranienplatz bleiben und für meine Rechte kämpfen.“

Wenn er duschen will, gehe er zu einem Unterstützer, der am Kottbusser Tor wohnt. Der hatte seine Handynummer im Infozelt hinterlassen mit dem Hinweis, die Flüchtlinge könnten ihn anrufen, wenn sie sein Bad benutzen wollen.

Um Mitternacht ist es ruhiger geworden am Feuer, nur noch fünf stehen jetzt da. Die Übrigen haben sich in die Zelte zurückgezogen, die Deutschen sind nach Hause gegangen. Im Infozelt sitzen immer noch drei Flüchtlinge. Einer erklärt, dass jede Nacht zwischen 20 und 30 Menschen in den Zelten schlafen. „Manchmal sind es auch mehr.“ Als kurz nach null Uhr ein junger Deutscher kommt, um die Nachtschicht zu übernehmen, verschwinden auch sie in ihre Zelte. Zurück bleiben am Feuer fünf Flüchtlinge mit ihren Bierflaschen.

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