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900 Flüchtlinge in Berlin müssen umgesiedelt werden.

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Update

Flüchtlinge in Berlin: Berlin kündigt Heimbetreiber - 900 Flüchtlinge müssen umziehen

900 Flüchtlinge aus fünf Berliner Unterkünften müssen eine neue Bleibe haben. Denn das Land hat dem Flüchtlingsheimbetreiber "Gierso" gekündigt.

Für 900 Flüchtlinge müssen bis spätestens 27. Juni neue Unterkünfte gefunden werden. Die logistische Ad-hoc-Aktion ist nötig, weil die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am Mittwoch dem Heimbetreiber Gierso gekündigt hat. Die 900 Flüchtlinge sind in insgesamt fünf Unterkünften der Gierso in Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow untergebracht.

Allerdings, betonte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), habe ihre Behörde damit nur auf ein Ultimatum der Gierso reagiert. „Wenn jemand versucht, uns zu erpressen, dann handeln wir“, sagte Breitenbach. Die Gierso habe mitgeteilt, dass sie ihre Heime am 27. Juni schließen werde, wenn das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) Forderungen der Gierso in siebenstelliger Höhe nicht bis Ende Juni bezahle. Das LAF ist Breitenbachs Behörde unterstellt.

Das Gierso-Schreiben sei gekommen, nachdem das LAF der Gierso im Mai die Kosten für den laufenden Betrieb nicht mehr bezahlt habe. Besser gesagt: Das LAF habe gar nicht bezahlen dürfen. Denn es habe Pfändungsbeschlüsse von Dritten erhalten. Diese Gläubiger hätten Forderungen an die Gierso. Das LAF habe deshalb aufgrund der Gesetzeslage die laufenden Betriebskosten an diese Gläubiger überweisen müssen. „Bis April hat das LAF regelmäßig an die Gierso überwiesen“, sagte Breitenbach. Welche Gläubiger Forderungen an die Gierso haben, sagte sie nicht.

Gierso-Geschäftsführer sieht Schuld bei LAF

Die Gierso fordert laut Breitenbach unter anderem Geld für Umbauten an Gebäuden. Ein Teil dieser Forderungen sei viele Monate alt, ein Teil vergleichsweise neu. „Wir verhandeln mit der Gierso seit vielen Wochen“, sagte Breitenbach.

Gierso-Geschäftsführer Thorsten Dohmen bezeichnete die Darstellung von Breitenbach, die Gierso werde die Heime schließen, wenn das LAF die Forderungen nicht erfülle „als schlichtweg falsch“. Seine Darstellung geht so: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das vor dem LAF für die Flüchtlingsbetreuung zuständig war, habe dem Vermieter der Gierso-Unterkunft in der Rennbahnstraße (Pankow) im April 2016 schriftlich zugesichert, dass es (das Lageso) die Sicherheitsleistungen für den Rückbau und die Kaution übernehme.

Allerdings sei dieses Geld bis heute nicht überwiesen worden. Deshalb habe der Vermieter einen Pfändungsbeschluss erwirkt und dies dem LAF mitgeteilt. Dohmen beklagte, dass das LAF sich nicht an die Abmachung gehalten habe und deshalb nun Probleme entstünden.

Er sagte auch, ihm sei viel daran gelegen, dass die Flüchtlinge weiter in den bisherigen Unterkünften gut untergebracht würden. „Ich habe nur gesagt: Sollte das LAF die Forderungen des Vermieters von den monatlichen Betriebskosten abziehen, dann sehen wir uns gezwungen, die Heime zu schließen“. Es gebe aber nur diese eine Forderung an das LAF.

Gierso schon länger umstritten

Breitenbach dagegen sprach von mehreren Forderungen, teilweise viele Monate alt, teilweise relativ neu. Einige Forderungen seien bereits abgelehnt worden. „Dabei handelt es sich um rund ein Drittel der geforderten Gesamtsumme.“

Unabhängig vom aktuellen Streit ist die Gierso ist seit längerer Zeit umstritten. Es gab den Vorwurf, dass sie dem Land überhöhte Rechnungen gestellt und Leistungen abgerechnet habe, die sie gar nicht erbracht habe. Das Geld kam damals vom Lageso. 2016 gab es wegen der Vorwürfe eine Razzia bei der Gierso. Die Gierso wies die Vorwürfe zurück.

Gierso-Geschäftsführer Dohmen ist der Patensohn des damaligen Lageso-Chefs Franz Allert (der nach einer Unterbrechung heute wieder das Lageso führt). Damit geriet Allert besonders in den Mittelpunkt der Kritik. Denn dem Lageso wurde ohnehin vorgeworfen, es kontrolliere die Betreiber und ihre Abrechnungen nicht gründlich genug und ermögliche so unkorrekte Abrechnungen. Zudem genehmigte Allert gegen die Bedenken eines leitenden Lageso-Angestellten eine umstrittene Direktinvestition in Höhe von 290.000 Euro für die Gierso.

Weil das Lageso ab Herbst 2015 mit der Betreuung der zu tausenden ankommenden Flüchtlinge völlig überfordert war, wurden Sanierung, Bau und Betrieb von Unterkünften oft ohne Ausschreibung vergeben.

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