zum Hauptinhalt

Flüchtlinge in Berlin: Parteifreunde loben sich und sticheln gegen den Koalitionspartner

Nachdem die Flüchtlinge den Oranienplatz geräumt und ihre neuen Unterkünfte bezogen haben, jubeln die Berliner ordentlich. Gelobt wird aber immer nur der Parteifreund.

Von

Nach der freiwilligen Räumung des Oranienplatzes bejubeln sich alle. SPD-Landeschef Jan Stöß dankt „seiner“ Integrationssenatorin Dilek Kolat. Großes Lob erhielt sie bereits vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Auch die CDU verteilt Dankesworte. Generalsekretär Kai Wegner hebt die Verdienste von Innensenator Frank Henkel und Sozialsenator Mario Czaja hervor. Von einer gemeinsamen Senatsleistung reden weder die Sozialdemokraten noch die Union.

Mitglieder der Jungen Union brachten es sogar fertig, ein Plakat mit den Worten „Danke Frank!“ hochzuhalten und sich bei ihrem „schwarzen Sheriff“ zu bedanken. Das Foto wird per Twitter und auf der Webseite der 2600 Mitglieder starken Jungen Union in Berlin veröffentlicht. Ein User fragt, ob die Webseite von dem Satiremagazin Titanic „gekapert“ worden sei. Im Laufe des Mittwochs wurde das Bild bei Twitter zum Running Gag und tauchte dort mit vielen neuen Sprüchen auf. Die CDU-Granden finden die Sache „eher peinlich“ und entschuldigen sie als Aktion einer „typischen Jugendorganisation“, die das dürfe. Der JU-Landesvorsitzende Christoph Brzezinski sagt, Henkel habe durch Druck und Handeln „Bewegung“ in die ungeklärte Flüchtlingsfrage gebracht. „Wir wollten keine gewaltsame Räumung“, sagt Brzezinski. Hätte Henkel aber nicht im Dezember mit der Räumung als „ultima ratio“ gedroht, hätte sich die SPD auch nicht bewegt. So lautet die Quintessenz in der Berliner Union.

Krachend scheiterte Henkel mit seinem Räumungsansinnen Anfang Januar im Senat an Klaus Wowereit. Erst ein Koalitionsausschuss konnte die erhitzten Gemüter wieder abkühlen. Und Dilek Kolat wurde die Aufgabe übertragen, mit den Flüchtlingen Verhandlungen zu führen. Die CDU beobachtete die insgesamt rund 60-stündigen Verhandlungen skeptisch, hielt sich aber mit Kritik zurück. Denn eine klare Linie hatte Wowereit auch vorgegeben: Sollten sich die Flüchtlinge auf das Verhandlungsangebot nicht einlassen, werde es obsolet. Bezirk und Senat zogen an einem Strang – und hätten als letzte Konsequenz auch die Räumung des Oranienplatzes vorangetrieben. So weit ist es nun nicht gekommen.

Doch als Verlierer steht Henkel nicht da: Erst sein Scheitern im Senat brachte die SPD nach mehr als einem Jahr Besetzung in Bewegung. Und auf Sonderkonditionen bei der Bearbeitung der Flüchtlingsanträge in der Ausländerbehörde ließ sich Henkel auch nicht ein. Die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln würden umfassend im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten geprüft, betonte Henkel. Kolat dagegen hätte eine „wohlwollende“ Prüfung bevorzugt.

Hinzu kommt, dass Sozialsenator Czaja gegen Integrationssenatorin Kolat austeilte. Sie habe vorübergehend den Überblick verloren: „Ein geordnetes Verfahren war nicht mehr möglich.“ So reagierte er darauf, dass am Dienstag 150 Flüchtlinge untergebracht werden wollten. Dabei seien ihm nur 50 angekündigt worden. Czaja seinerseits löste in der vergangenen Woche Kopfschütteln aus, als er vorzeitig die Adresse des Hostels in der Friedrichshainer Gürtelstraße bekannt gab. Kurze Zeit später machte sich ein Trupp Flüchtlinge auf den Weg, das Domizil in Augenschein zu nehmen. Bei nicht wenigen Verantwortlichen war die Befürchtung groß, dass die Räume kurzerhand besetzt würden. Dann hätte der Räumungsplan scheitern können. Die Flüchtlinge hielten sich aber an die Abmachung und warteten ab bis zum Dienstag, als sie den Oranienplatz mit logistischer Unterstützung von Bezirk und BSR räumten.

Die Namen auf der Liste werden jetzt überprüft

In ihren neuen Unterkünften – neben der Gürtelstraße noch im ehemaligen Notaufnahmelager in Marienfelde – werden sie jetzt registriert. Es wird dabei auch überprüft, ob sie auf der Liste mit 467 Namen stehen, die Senat und die Vertreter der Flüchtlinge bei ihren Verhandlungen vereinbart haben. In einem nächsten Schritt werden Modalitäten gesucht, wie die Flüchtlinge aus der besetzten Gerhart-HauptmannSchule in Kreuzberg zum Umzug bewegt werden können. Für diese muss die Sozialverwaltung Unterkunftsplätze suchen. Unklar ist weiter, wie groß der Personenkreis ist. Denn in der Schule sind zudem Romafamilien aus Osteuropa und deutsche Obdachlose untergekommen.

Die gesamten Vorgänge rund um die Flüchtlinge vom Oranienplatz und aus der besetzten Schule werden an diesem Donnerstag das Parlament beschäftigen: Der Regierende Bürgermeister wird im Abgeordnetenhaus eine Regierungserklärung abgeben. Das Thema: „Flüchtlingspolitik in Berlin – Augenmaß, Menschlichkeit und klare Regeln“. Die Regierungsfraktionen werden die Gelegenheit nutzen, ihre Senatoren ordentlich zu loben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false