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Marek Bajan ist der Haupttrainer beim Fechtclub Berlin-Südwest.

© Thilo Rückeis

Flüchtlinge in Sporthallen: Berliner Fechtklub in Existenznot

Der Auszug der Flüchtlinge aus Sporthallen verzögert sich. Für einen Berliner Fechtklub sind das beängstigende Nachrichten.

Da ist noch die Geschichte mit dem Bus: zehn Jahre alt, reparaturanfällig, vor Jahren von einer Firma dem Verein zur Verfügung gestellt. Dieser Verein, der Fechtclub Berlin (FCB) Süd-West, zahlt den Unterhalt für die angestaubte Karosse. Wenn der Bus in die Werkstatt müsste, wäre das der nächste Schlag. Dieses Geld fehlte dann auch noch.

Schon 25 Vereinsaustritte

Es fehlt sowieso, das Geld. „Wir sterben unauffällig“, sagt Kurt Kliem, Vizepräsident des FCB Südwest. „Wenn die Zahl der Austritte so weitergeht, können wir bald dichtmachen.“ 25 gab es seit Oktober, der Verein hat jetzt noch 133 Mitglieder. „100 ist die Schmerzgrenze“, sagt Kliem. „Dann müssen wir einen Trainer entlassen, weil wir ihn nicht bezahlen können. Dann wird der Trainingsbetrieb noch mehr reduziert, und dadurch gibt es noch mehr Austritte.“

Der FCB hat sich stark für Flüchtlinge engagiert. Aber jetzt treiben Flüchtlinge den Verein indirekt in die Existenznot. Viele Vereine klagen, weil sie ihre angestammten Sporthallen nicht nützen können. Auch der FCB darf seit Monaten nicht in die Sochos-Halle in Steglitz, dort, wo optimales Fechttraining möglich ist. Flüchtlinge leben darin. Aber beim FCB ist die Situation schlimmer als bei anderen Klubs. Er könnte das Opfer eines Planungsproblems werden.

Die Sochos-Halle steht ganz am Ende der Liste

47 Sporthallen sollen bis September geräumt werden. So hatte es die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mal vorgesehen. Die Sochos-Halle ist nicht darunter. Für sie gibt es von vornherein frühestens einen Termin im Oktober. Allerdings müssen zuvor „die dafür erforderlichen Unterbringungsmöglichkeiten feststehen“. Das ist der entscheidende Punkt.

Oktober? Das kann sich Kliem wohl abschminken. Der Plan zur Räumung ist ja jetzt schon hinfällig, die Rückgabe der Sporthallen wird zum grundsätzlichen Problem. Anfang Juli lebten noch 8.000 Menschen in 54 Hallen, seither hat sich kaum etwas geändert. Im Juli sollten eigentlich neun Hallen geräumt werden. Tatsächlich frei wird eine. Die anderen sollen im August leer stehen. Sollen. Die komplette Räumung aller Hallen dauere wohl noch bis Jahresende, sagte Dieter Glietsch, Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, vor Kurzem.

Die Verzögerung hat mehrere Gründe. Es fehlen zum Beispiel genügend Plätze in Ersatzunterkünften. Mehrere Containerdörfer werden später fertig als geplant, so dass die Flüchtlinge noch nicht umziehen können. So sollten eigentlich im Juli zwei Hallen in Wilmersdorf geräumt werden. Doch das Ersatzquartier in der Heerstraße ist nach jetzigem Stand erst im August bezugsfertig. Und dann scheitert die Umquartierung schlicht daran, dass der Umzug von so vielen Menschen, wie geplant, logistisch nicht zu stemmen ist.

Das ist für viele Vereine, deren Halle in den nächsten Wochen wieder frei werden sollen, ärgerlich. Einen Verein wie den FCB aber trifft die Verzögerung ins Mark. „Wir wissen nicht mal annähernd, wann wirklich geräumt wird, diese Unsicherheit ist das Schlimmste. Viele Eltern machen das nicht mehr mit“, sagt Kliem. Es ist schon jetzt absehbar, dass dem FCB die Sochos-Halle erst 2017 zur Verfügung steht.

Eltern müssen quer durch die Stadt fahren

Die Frage ist nur, in welchem Zustand der Verein dann ist. „Wir leben jetzt schon von der Substanz“, sagt der Vizepräsident. „Wir geben mehr aus als wir einnehmen.“ Der FCB finanziert sich fast nur über Mitgliedsbeiträge. Einen namhaften Sponsor gibt es aktuell nicht.

80 Prozent der aktiven Vereinsmitglieder sind Kinder, sie konnten ihre Ausrüstung früher in Schließfächern der Sochos-Halle verstauen. Jetzt müssen ihre Eltern die Kinder und deren sperrige Ausrüstung in ihren Autos zu jedem Training teilweise quer durch die Stadt transportieren, nach Kleinmachnow, Grunewald oder auch Hohenschönhausen. „Wir haben auch sozial nicht so gut gestellte Eltern, die haben gar kein Auto. Deren Kinder können teilweise gar nicht mehr zum Training kommen“, sagt Kliem. Auch deshalb melden Eltern ihre Kinder ab.

Bei nur noch 80 Mitglieder ist der Verein quasi am Ende

„Und andere Eltern werden es nicht mitmachen, dass sie noch mindestens ein halbes Jahr solche Bedingungen haben“, sagt Kliem. Er weiß nicht, wie viele Austritte es noch geben wird. Er weiß aber, dass sich spätestens dann „alles finanziell nicht mehr darstellen lässt“, wenn der Klub nur noch 80 Mitglieder hat.

Marek Bajan, quasi hauptamtlicher Coach, und drei Trainer, die sich ein Zubrot verdienen, arbeiten für den FCB. Allein um sie finanzieren zu können, benötigt der Klub einen großen Teil der Beiträge. Ausgaben für Turniere und Gebühren kommen dazu. Doch die Trainer-Arbeit macht sich bezahlt: Trotz der Bedingungen belegten FCB-Fechter 2016 in der Berliner Rangliste, in verschiedenen Altersklassen, neun erste Plätze.

Der FCB hätte natürlich, wie üblich, auch in diesem Jahr gerne ein eigenes Turnier ausgerichtet, um mit den Einnahmen die eigene Kasse aufzufüllen. Es gab nur ein Problem. Das Turnier sollte in der Ruhemann-Halle in Wilmersdorf stattfinden. Doch die war schon belegt. Dort leben Flüchtlinge.

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