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Ruhe herrscht am Terminal 1, dem Hauptgebäude des Flughafen Tegels.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Einbruch der Fluggastzahlen in Corona-Krise: Flughafengesellschaft beantragt Tegel-Schließung ab 1. Juni

Berlins Flughafen Tegel soll ab Juni für zwei Monate dicht machen. Der Aufsichtsrat stimmt dafür. Die Gesellschafter verschieben die Entscheidung.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hatte einen Trumpf in der Hand: die Freigabe für den neuen Hauptstadtflughafen BER durch die Baubehörden im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald. Im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft war damit der Widerstand gebrochen: Die Vertreter des Bundes lenkten ein und stimmten den Plänen zu, den Flughafen Tegel wegen des Zusammenbruchs des Flugverkehrs infolge der Coronakrise zeitweise zu schließen.
Noch am Mittwochabend wollte der Flughafenchef bei der Oberen Luftfahrtbehörde von Berlin beantragen, Tegel ab 1. Juni für zwei Monate von der Betriebspflicht zu befreien. Im Aufsichtsrat gab es keine Gegenstimmen, nur einige Enthaltungen, etwa von den Vertretern der Beschäftigten. Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, stimmte nach Tagesspiegel-Informationen für die zeitweise Schließung. Gerhard Schulz, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, enthielt sich. 

Schulz soll Bedenken geäußert haben, weil zwischen den Bundesministerien Details zum Umzug der Flugbereitschaft der Bundesregierung von Tegel zum neuen fertigen Regierungsterminal in Schönefeld noch unklar seien. Bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung Mitte Mai soll dies geklärt werden. Berlin und Brandenburg halten das Argument aus dem Bundesverkehrsministerium ohnehin für vorgeschoben, da die Flugbereitschaft ohnehin bis 2029 mit Hubschraubern in Tegel bleiben möchte.
Nach der weitreichenden Entscheidung des Aufsichtsrats für das zeitweise Tegel-Aus kam auch die Gesellschafterversammlung zusammen. Die hatte Ende März – vor allem auf Drängen des Bundes – noch gegen die Tegel-Schließung gestimmt, der Aufsichtsrat hatte Lütke Daldrup aber grünes Licht gegeben, seine Pläne zumindest weiter voranzutreiben.
Durch die Nutzungsfreigabe für den BER gehen den Kritikern der Tegel-Schließung die Argumente aus. Sollte die Gesellschafterversammlung gegen eine Schließung sein, müsste sie ein aktives Veto einlegen.

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Doch so einfach ist das nicht mehr, denn die Eigentümer Berlin, Brandenburg und Bund stecken in einem Dilemma. Sollten sie Tegel nicht schließen, müssten sie Verluste von sieben Millionen Euro pro Monat infolge des Zusammenbruchs des Flugverkehrs hinnehmen und sogleich Lütke Daldrup von der Haftung für die Verluste freistellen. Oder die drei Gesellschafter müssten massiv Geld in die Flughafengesellschaft pumpen, die große finanzielle Probleme hat. Die Gesellschafter, insbesondere die Vertreter des Bundes, dürften nur schwerlich an der unternehmerischen Entscheidung des Aufsichtsrates vorbeikommen, hieß es. Am Mittwoch jedenfalls kam die Gesellschafterversammlung nach langer Debatte zu keinem Ergebnis – was dem Bund angelastet wird. In zwei Wochen soll erneut beraten werden – über die Umsetzung der temporären Tegel-Schließung, dem Vernehmen nach nicht über ein Stopp.

Entscheidung könnte vorzeitiges Aus für Tegel bedeuten

Die Entscheidung des Aufsichtsrats könnte das vorzeitige Aus für den Flughafen Tegel bedeuten, der ohne Coronakrise erst ein halbes Jahr nach der für 31. Oktober geplanten BER-Eröffnung schließen müsste. In der Flughafengesellschaft gibt es  Szenarien für den Fall, dass sich der Luftverkehr in der Coronakrise wegen der anhaltenden Reisewarnungen in den nächsten Monaten nicht erholt. 

Weil sich dann ein Rück-Umzug von Schönefeld nach Tegel nicht mehr lohnen würde, könnten die Airlines gleich in Schönefeld bleiben. Die Fluggesellschaften sind gegen die zeitweise Tegel-Schließung, sie warnen vor enormen Kosten für die Umzüge – von TXL nach SXF und zurück und dann zum BER – und einer Kündigungswelle bei den Dienstleistern in Tegel. Deshalb wird in der Flughafengesellschaft auch eine vorzeitige Eröffnung des BER diskutiert, zumal wenig geflogen wird. Der Probebetrieb startet in diesen Tagen.

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Damit könnte die Coronakrise beschleunigen, was sonst undenkbar wäre: dass Tegel schneller dichtgemacht wird. „Die Erreichbarkeit Berlins auf dem Luftweg muss in jedem Fall sichergestellt sein“, erklärten der Verkehrsexperte der Berliner CDU-Fraktion, Oliver Friederici, und der wirtschaftspolitische Sprecher, Christian Gräff. Die TXL-Schließung sei weder verkehrspolitisch noch wirtschaftlich vorstellbar, „solange der BER nicht seine betriebliche Zuverlässigkeit nachgewiesen ist.“ 

AfD-Flughafenexperte Frank Hansel sagte: „Wir alle wissen, dass der Flugverkehr nach Corona wieder kräftig zulegen wird und BER viel zu klein ist.“ Der  Senat missbrauche die Corona-Krise, „um die eigene Anti-Luftverkehr-Agenda gegen den Willen der Berliner durchzusetzen“. Die Grünen-Fraktionschefinnen Antje Kapek und Silke Gebel sagten, angesichts des Zusammenbruchs des Luftverkehrs und der Verluste sei ein Weiterbetrieb nicht zu verantworten. „Jetzt muss es darum gehen, die Nachnutzung von Tegel voranzutreiben, die Finanzsituation der FBB von unabhängiger Seite aufklären zu lassen und die Ausbaupläne für den Masterplan einer kritischen Revision zu unterziehen.“

SPD-Fraktionsvize Jörg Stroedter fand, am besten wäre jetzt schon „die endgültige Schließung“ von Tegel. „Es macht keinen Sinn, künstlich einen zweiten Flughafen offenzuhalten“, sagte Stroedter, der auch Obmann im BER-Untersuchungsausschuss ist. Unnötige Kosten für die Offenhaltung müssten vermieden werden.

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