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Offen! Wenn auch nur für zwei Tage. Bei den Publikumstagen auf dem Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt können Besucher den neuen Airport besichtigen.

© Kai-Uwe Heinrich

Flughafen BER: Check-in auf der Einbahnstraße

Faszinosum Flughafen: 50.000 Menschen liefen am Samstag im kalten Wind ums Terminal des neuen Flughafens in Schönefeld – aber bloß nicht in die falsche Richtung. Eine Reportage vom unfertigen Airport.

Kein Schimpfen, wenig Häme, die Gäste des Flughafens haben eine gute Zeit gehabt. Schon nach zwei Stunden nehmen die ersten Abschied, sitzen entspannt im Shuttlebus nach Altglienicke. Einer ruft gleich seine Freunde an, die Party am Flughafen sei „super organisiert“. Sie könnten ruhig noch kommen, kein Chaos rund ums Terminal, alles laufe wie am Schnürchen. Und damit hat er überraschend recht.

Der erste Publikumstag ist eine Bewährungsprobe für die Manager. Können sie, überfordert von der Projektlogistik für einen modernen Airport, zumindest eine große Party schmeißen? Sie können es. Bravo. Nur leider fällt die Party nicht so groß aus wie angenommen. Die Veranstalter sprechen zwar von 50 000 Besuchern – so richtig voll sieht’s tagsüber gar nicht aus. An den S-Bahnhöfen stehen Pulks von „Stewards“ in gelben Westen bereit, die Warteschlangen in Busse zu lenken. Nur: Wo sind die Schlangen?

Bildergalerie: Wie die Besucher die Besuchertage fanden

Vielleicht ist der kalte Nordwestwind Schuld. Vielleicht bleiben einige auch lieber zu Hause als sich Potemkinsche Dörfer anzuschauen. Nach einem Bericht des Unternehmens Orat, das für den Probebetrieb verantwortlich ist, waren wichtige Bereiche wie Check-in, das Boarding der Passagiere und der Bodenverkehr im April nur zu 52 Prozent betriebsbereit. Ein Flughafensprecher bestätigte das, allerdings mit dem Zusatz, dass man es bis zum 3. Juni, also der geplanten Eröffnung, trotzdem noch geschafft hätte.

Vor Ort ist das nur schwer zu klären. Der Rundgang ums Terminal ist nur in einer Laufrichtung möglich, im Norden geht’s rein, im Süden wieder raus. Dazwischen sind die wahrhaft gigantischen Ausmaße des Terminals abzuschreiten. Die Empfehlung, festes Schuhwerk zu tragen, ist durchaus ernst gemeint.

Und was sieht man nun? Erst mal Baustelle. Schon die Busfahrt führt an Containerdörfern und Baufahrzeugflotten entlang. Am Terminal haben sie die übelsten Ecken mit Sichtschutzwänden umstellt. Beim Lugen durch die Lücken ist Material und Gestänge zu sehen, wilde Bauholzstapel und Sandberge. Es wirkt wie schnell noch aufgeräumt, bevor die Gäste kommen. Wo kein Sichtschutz steht, ist alles fertig. Am Haupteingang zum Terminal drücken sich die Fotografen herum. Die Glasfläche spiegelt stark. „Da hätten sie drinnen mal Licht machen müssen“, sagt eine Flughafenmitarbeiterin. Machen sie aber nicht, angeblich aus „organisatorischen Gründen“. Dabei ist drinnen alles blitz und blank, der Boden ist verlegt, die Counter haben schon ihre Holzvertäfelung. Von der Decke hängen keine Kabel herab. Sogar die Bildschirme mit den Abflügen laufen, als sei der Airport längst gestartet, fast alle angezeigten Flüge haben allerdings den Zusatz „gestrichen“. Die sicherheitssensiblen Bereiche in der Fluggastabfertigung sind von hier nicht einsehbar.

Bildergalerie: Hohn und Spott als Reaktion auf die erneute Verschiebung

Das Faszinosum eines fast fertigen Flughafens, ganz ohne wuselndes Menschengewirr, hat viele Besucher ergriffen. Ein älterer Herr mit blauer Mütze fotografiert nur die langen Treppen ins Zwischengeschoss, immer wieder. Das Monumentale der Eingangshalle mit dem riesigen Vordach und den Kolonnaden an den Seiten erinnert einen erregten Mittvierziger an „faschistoide“ Architektur. „Sind die noch zu retten?“ Andere fachsimpeln im Freundeskreis über bauliche Spezialitäten wie die Stahlseile, die über die Glasfront gespannt sind, damit sie nicht unter ihrer eigenen Last zusammenbricht.

Am Flughafenmodell beantwortet ein BER-Mitarbeiter geduldig alle Fragen – auch hier: kaum Häme. Immerhin sei der unterirdische Airportbahnhof erfolgreich im Probebetrieb. Hier sollen schon seit Wochen die Züge aus- und einfahren, damit „die Lokführer sich an die Tunnelstrecke gewöhnen“ können.

Bildergalerie: Hohn und Spott als Reaktion auf die erneute Verschiebung

Auch die Flughafenfeuerwehr ist einsatzbereit. Ihr Juwel ist der „Panther 8 mal 8“, ein absolut futuristisches Fahrzeug, das vom Design her auch in Star-Wars-Filmen eine gute Figur machen würde. Kleine Jungs stehen hier nun doch Schlange, um mal am Lenkrad Platz nehmen zu dürfen. Der Panther kostet eine knappe Million Euro und soll bei Flugzeugabstürzen mit einem Dorn die Außenhaut der Maschine durchbrechen und den Innenraum löschen. „So was zu fahren, das macht Spaß“, sagt der freundliche Flughafenfeuerwehrmann stellvertretend für seine 200 Kollegen. Und das Gerätehaus – ist das denn fertig? Er lächelt. Dazu dürfe er nichts sagen.

Warum nur muss dieser steife Nordwest so unbarmherzig über das Vorfeld blasen? Die Bänke der Grillbuden bleiben leer, das Riesenrad fährt erst mal gar nicht los, mangels Interesse. Wer will schon testen, ob der Wind oben noch schärfer bläst. Der Heißluftballon wird gar nicht erst aufgeblasen. Der große Rummelplatz, der hier für zwei Tage gute Stimmung verbreiten soll, will trotz Musikbeschallung und Bühnenprogramm nicht richtig Fahrt aufnehmen.

Im Zelt der Beuth-Hochschule präsentiert Student Patrick Bernier eine Flughafensimulation. Er hat den „Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt“ schon in Betrieb genommen. 500 Flüge am Tag steckt der Simulationsflughafen locker weg. Die Flieger hetzen wie wimmelnde Ameisen über das Vorfeld. Wenn Bernier auf 1000 Flüge pro Tag hochfährt, bricht der Betrieb allerdings schlagartig zusammen. „35 Prozent der Flüge sind gestrichen“, meldet das Programm. So könnte es gehen, wenn der BER erst richtig in Fahrt gekommen ist. Vielleicht so um 2020.

Das Flughafengelände ist auch am Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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