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Wie geht es weiter am Flughafen BER? Zwei Szenarien.

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Flughafen BER: Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

Bauruine BER – diese Möglichkeit galt lange als undenkbar: Inzwischen kann das angesichts der Pleiten, Pannen und Risiken niemand ausschließen. Wie ginge es weiter, wenn das Vorhaben aufgegeben würde? Und wie, wenn es fortgesetzt wird? Zwei Szenarien.

Flughafen BER: Wie ginge ein Ausstieg?

Die Pleite um den BER wäre perfekt, wenn zuletzt vor den Toren der deutschen Hauptstadt ein Geisterflughafen stünde. Dieses Risiko, das Horrorszenario einer Investitionsruine, ist nicht mehr völlig auszuschließen – wegen der nach wie vor hohen technischen und finanziellen Risiken. Da ist immer noch die bislang nicht beherrschte Entrauchungs- und Brandschutzanlage, die der über den Korruptionsskandal gefallene Technik-Chef Jochen Großmann funktionstüchtig machen sollte. Da sind weitere Mängel, längst erfasst. So wurde beim Rohbau im Inneren des Terminals gepfuscht, sind Abschottungen für den Brandfall in Schächten und Zwischenwänden nicht fachgerecht erfolgt, so dass sich der Qualm womöglich selbst dann eigene Wege sucht, wenn die Entrauchungstechnik einmal funktioniert.

Das größte Damoklesschwert sind die – auch wegen des Stillstands – stetig steigenden Kosten. Auf der letzten Aufsichtsratssitzung hat Flughafenchef Hartmut Mehdorn die Summe von 1,1 Milliarden Euro genannt, die Berlin, Brandenburg und der Bund nachschießen sollen, nachdem bereits 4,6 Milliarden Euro in den Bau des neuen Flughafens geflossen sind. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die 1,1 Milliarden lange nicht reichen werden. Und erst recht nicht, wenn mit dem Ausfall Großmanns weitere Verzögerungen drohen und der BER nicht bis 2016 – dem internen Zieldatum Mehdorns – eröffnet werden kann.

Zur Erinnerung: Der neue Flughafen sollte ursprünglich einmal zwei Milliarden Euro kosten. Allein seit der Verschiebung der Eröffnung im Mai 2012 wurden mehr Mittel fällig. Sollte der BER nicht eröffnet werden können, wären knapp sechs Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Rechnet man weitere Kosten wie für die Verkehrsanbindung hinzu, landet man sogar bei acht Milliarden Euro. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie ein von der Bauaufsicht nicht abgenommenes, für Publikumsverkehr nicht zugelassenes Terminal genutzt werden könnte.

Berlin und Brandenburg wären aus der Luft aber auch dann weiter erreichbar. Nichts hält bekanntlich so lange wie Provisorien. Der Flugverkehr könnte weiter über die Alt-Flughäfen Tegel und Schönefeld abgewickelt werden, die seit 2012 ein rasantes Passagierwachstum registrieren. Nirgendwo sonst in Deutschland steigen die Fluggastzahlen so schnell wie in der Hauptstadtregion: Allerdings ist Tegel, wo 2013 über 18 Millionen Fluggäste abgefertigt worden sind, an der Belastungsgrenze. Am alten, aus DDR-Zeiten stammenden Flughafen in Schönefeld, wo das Terminal nach Mehdorns Plänen zusätzlich zum BER für Billigflieger saniert werden soll, waren es rund sieben Millionen Passagiere. Dort gibt es noch Reserven, Experten schätzen diese auf bis zu zehn Millionen weitere Passagiere. Versuche der Flughafengesellschaft, Airlines zur Verlagerung von Tegel-Flügen nach Schönefeld zu bewegen, waren bislang allerdings kaum von Erfolg gekrönt. Und das, obwohl in Schönefeld – da der Flughafen Bestandsschutz hat – sogar Tag und Nacht geflogen werden könnte.

Ein jahrelanger Weiterbetrieb von Tegel und Schönefeld, ohne BER, wäre zur Not möglich. Allerdings würde dies neue Probleme und Kosten nach sich ziehen, etwa den nach deutschem Recht irgendwann fälligen Schallschutz für rund 100 000 Tegel-Anwohner. Abgesehen davon, dass in Tegel keine Pannen oder gar Unglücke passieren dürften: Das Kernproblem bliebe, dass in einigen Jahren die Kapazitäten der beiden Alt-Flughäfen in Berlin und Brandenburg definitiv am Ende wären. Eine neuer Flughafen-Standort aber bräuchte, von der Finanzierung abgesehen, wohl mindestens ein Jahrzehnt Planungs- und Genehmigungsvorlauf.

Thorsten Metzner

Wie ginge es weiter ohne einen Ausstieg? Ein Szenario

Rauchzeichen entscheiden über die Zukunft des BER-Flughafens. Nur wenn, was Tests mit Heißrauchgasen zeigen sollen, die Brandschutzanlage funktioniert, kann der Betrieb aufgenommen werden. Ein Datum wird Flughafenchef Hartmut Mehdorn seinem Aufsichtsrat aber auch auf der Sondersitzung des Gremiums am heutigen Montag nicht nennen können. Denn die für den beschlossenen Umbau erforderlichen Pläne liegen weiter nicht komplett vor. Fertig sind sie nur für zwei von sieben Segmenten. Aber die Aufsichtsräte wollen sich auch vornehmlich mit dem mutmaßlichen Korruptionsfall um den Brandschutzexperten Jochen Großmann beschäftigen. Und mit möglichen Auswirkungen auf den Baufortschritt durch Großmanns Beurlaubung, der bald die Kündigung folgen dürfte. Erst wenn alle Pläne vorliegen, die angeben, welche Türen, Fenster und Klappen sich abhängig von einem möglichen Brandort steuern lassen müssen, kann Siemens, das den Auftrag dafür im vergangenen Oktober erhalten hat, damit beginnen, die Montagepläne für das Legen der Kabel zu erstellen. Und das wiederum kann erneut dauern, weil die Leitungen, die insgesamt rund 90 Kilometer lang werden sollen, in die vorhandenen Bauten eingepasst werden müssen. Für die Arbeiten hatte Siemens ursprünglich bis zu 18 Monate veranschlagt. Bei der Flughafengesellschaft hofft man, dass es auch schneller gehen kann. Ohne die Pläne für die Technik kann es zudem keinen soliden Finanzplan geben, der aussagt, welche Kosten noch auf die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund zukommen. 1,2 Milliarden Euro mehr haben sie bereits 2012 bewilligt. Allerdings rücken die Haushälter des Bundes die vereinbarten Tranchen nur widerwillig heraus. Zuletzt hatte der Flughafen lange auf eine Zahlung in Höhe von 26,5 Millionen Euro warten müssen, wodurch angeblich ein Liquiditätsengpass drohte. Mehdorn hatte zuvor erklärt, das Geld reiche bis zum Jahresende. Einen weiteren Nachschlag in gleicher Höhe soll er bereits gefordert haben. Derzeit endet die Rechnung noch bei 4,6 Milliarden Euro. Weil Banken kaum bereit sein werden, dem Flughafen weitere Kredite zu gewähren und die Gesellschaft ihre Verschuldung auch nicht in schwindelnde Höhen treiben lassen kann, muss für die Mehrkosten wahrscheinlich erneut die öffentliche Hand – und damit der Steuerzahler – einspringen.

Und noch gar nicht auf der Rechnung ist ein möglicherweise erforderlicher Ausbau gleich nach der Betriebsaufnahme oder sogar schon jetzt. Angelegt ist der BER für rechnerisch 27 Millionen Passagiere im Jahr. Mehdorn erwartet zur Eröffnung aber schon 30 Millionen und in wenigen Jahren sollen es sogar 35 Millionen sein. Weil ein in der Ursprungsplanung vorgesehenes zweites Terminal auf dem Hauptfeld eine lange Planungszeit erfordert und wiederum einen mindestens dreistelligen Millionenbetrag verschlingen würde, will der Flughafenchef bekanntlich die alten Anlagen von Schönefeld weiter nutzen und sich vom Konzept eines Flughafens „unter einem Dach“ verabschieden. Doch noch nicht einmal die erforderlichen Planungsgelder hat ihm der Aufsichtsrat bisher gewährt.

Und kein Geld gibt es außerdem derzeit für das Sanieren der nördlichen Start- und Landebahn. Die Arbeiten sind mit 45 Millionen Euro veranschlagt. Der Aufsichtsrat will, dass sich der Flughafen das Geld bei den Banken beschafft. Noch ist dies nicht gelungen.

Aber einen Fortschritt gibt es immerhin: Der Flughafen hat jetzt das Organisieren des Probebetriebs und des Umzugs zum BER europaweit ausgeschrieben. Wann die Arbeit beginnen soll, ließ man allerdings vorsichtshalber offen.

Klaus Kurpjuweit

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